Der Slogan der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) für das beA "Digital.Einfach.Sicher" klingt gut, aber im Kanzleilalltag gibt es dann doch jede Menge Hürden zu überwinden.

Die Auswirkungen des beA auf meinen Kanzleialltag sind enorm: Es geht dabei nicht nur um den Zeitaufwand für Installation, Updates und Schulungen sowie die Notwendigkeit, sich auch als Einzelanwältin neben der juristischen Arbeit intensiv mit IT-Fragen beschäftigen zu müssen. Auch die umständliche Benutzeroberfläche und ein schlechter Hotline-Service des beA sind selbst bei bestehendem Interesse, das beA gleich richtig nutzen zu wollen, ein nervenaufreibender Faktor, der nicht dazu beiträgt, dass man sich schnell mit dem beA anfreunden mag.

Ich nutze das beA mittlerweile nicht nur, um Gerichtspost zu empfangen, sondern auch zum Versand. Es erspart mir schließlich das umständliche Ausfertigen von Schriftsätzen und das Kopieren von teils umfangreichen Anlagen. Als ein Unsicherheitsfaktor hat sich dabei die mal mehr, mal weniger große Störanfälligkeit des beA erwiesen, so dass bei fristgebundenen Angelegenheiten durchaus haftungsträchtige Fragen auftauchen können. Also rufe ich wieder häufiger bei Gericht an, um mich zu erkundigen, ob ein Schriftsatz auch tatsächlich angekommen ist, und nutze die Fristen nicht bis zum allerletzten Tag aus, so dass im Ernstfall noch genügend Zeit bleibt, per Fax oder Briefpost zu versenden. Ich betrachte das als Rückschritt, soll doch die Digitalisierung den Kanzleialltag und den Umgang mit den Justizbehörden vereinfachen und Kosten auf beiden Seiten einsparen.

Aus Telefonaten mit Mitarbeitern von Geschäftsstellen bei Gericht ist mir bekannt, dass diese gar nicht richtig auf den elektronischen Rechtsverkehr vorbereitet sind, je nach Bundesland sind sie ganz ordentlich bis gar nicht darauf eingerichtet. In der Justiz scheint es nicht nur an leistungsfähiger Hard- und Software zum Führen von eAkten zu fehlen, sondern es werden auch fast immer alle Schriftsätze mit Anlagen ausgedruckt, sortiert und oft an andere Verfahrensbeteiligte per Post weitergeleitet, und das kostet Zeit und Geld – da sind die Justizmitarbeiter nicht zu beneiden. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, zunächst die Justiz technisch wie organisatorisch fit für den elektronischen Rechtsverkehr zu machen, ehe man die Anwaltschaft zur Nutzung des beA verpflichtet.

Vollkommen unübersichtlich wird es, wenn innerhalb der Gerichte eine Kammer den ERV und das beA nutzt, aber andere Kammern am herkömmlichen Versand mit Briefpost festhalten. Diese Erfahrungen mache ich jedenfalls derzeit mit dem Arbeitsgericht München und dem Sozialgericht München. Es gibt auch die Variante, dass innerhalb einer Kammer mal via beA, mal per Briefpost versandt wird, das kommt dann offenbar auf die Art und den Umfang der Mitteilung an. Es scheint vom Zufall abhängig zu sein, ob in einem Gerichtsverfahren der ERV und das beA verwendet werden. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn es seitens der Justiz eine einheitliche Linie gäbe, denn der Aufwand für die Kontrolle aller Posteingangsmöglichkeiten und für die Bearbeitung des Posteingangs, wie Scannen und Zuordnen zu den einzelnen Akten, wird gerade in kleinen Kanzleien mit wenig Personal so derzeit eher mehr als weniger.

Die Gerichte monieren auch, dass es nicht ausreichend ist, beim Versand über das beA den Schriftsatz und die Anlagen eindeutig zu bezeichnen und im richtigen Format zu versenden, sondern dass es überdies notwendig ist, auf dem Schriftsatz und den Anlagen exakt die gleiche Bezeichnung zu verwenden, denn eine Schwachstelle des beA ist es zurzeit offenbar, dass die Schriftstücke und Anlagen, z.B. K1 bis K5 nicht in der Reihenfolge beim Empfänger ankommen, wie sie versandt werden; so entsteht bei der Justiz ein enormer Sortieraufwand, für den die Anwaltschaft m.E. aber nicht verantwortlich ist.

Weitere Unstimmigkeiten mit den Gerichten entstehen auch, wenn von mir ein Empfangsbekenntnis elektronisch angefordert wird für einen Gerichtsschriftsatz, den ich nie, weder per beA noch per Post, erhalten habe. Erst durch eine telefonische Nachfrage bei der Geschäftsstelle erfahre ich dann, dass es wohl technische Probleme gab und zugegeben wird, dass der Schriftsatz, dessen Empfang ich bestätigen soll, gar nicht korrekt versandt wurde.

Neben den Problemen mit der Justiz scheint aber auch die Akzeptanz des beA innerhalb der Anwaltschaft noch nicht deutlich gewachsen zu sein. Man ist zwar, wie gesetzlich vorgeschrieben, empfangsbereit, aber eben nicht immer willig, auch schon mal aktiv Schriftsätze an Kollegen und Kolleginnen zu versenden. Ich mache die Erfahrung, dass die Reaktionszeiten auf Schriftsätze oft länger sind, wenn ich das beA verwende. Bei telefonischer Nachfrage reagieren die Kollegen und Kolleginnen oft abwehrend und bitten ausdrücklich um die Verwendung der vertrauten Kommunikationsmittel wie Fax oder unverschlüsselte E-Mail.

Fazit: Es bleibt noch ein langer Weg bis zur problemlosen alltäglichen Nutzung des ERV und des ...

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