Die Älteren unter Ihnen werden sich vielleicht noch an die ZDF-Fernsehserie „Königlich Bayerisches Amtsgericht” erinnern. Diese spielte in den Jahren 1911/1912 und hatte diverse Gerichtsszenen aus einem Amtsgericht eines fiktiven bayerischen Ortes zum Inhalt. Zum Schluss jeder Folge war Gustl Bayrhammers sonore Stimme zu hören, mit der er aus dem Off sprach: „Das Leben geht weiter, ob Freispruch oder Zuchthaus, auch in der guten, alten Zeit – und auf die Guillotin' hat unser alter Herr Rat eh' niemanden geschickt ... Eine liebe Zeit, trotz der Vorkommnisse – menschlich halt. Und darum kommt es immer wieder zu diesen Szenen – im Königlich Bayerischen Amtsgericht.” Und damit gingen die Beteiligten gemeinsam in den Biergarten ...

Ach, werden Sie vielleicht seufzen, diese gemütlichen Zeiten sind doch heutzutage vorbei. Die meisten von uns sind mittlerweile vollständig digital aufgestellt und die Anwaltschaft und die Gerichte sind um so vieles schneller und effizienter als damals.

Wir Anwälte und Anwältinnen haben ja jeder einen Computer vor uns und brauchen (und dürfen) deshalb grds. keine Schriftsätze mehr per Post an die Gerichte zu versenden. Wir nutzen ja bekanntlich für die Gerichtspost das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Schon der ganze Zeitverlust für Zustellungen wie anno dazumal bei der Reichspost ist damit entfallen. Ob des Wegfalls von „Postlaufzeiten” verkürzt sich jedes Verfahren und Entscheidungen des Gerichts sind heute stante pede auf unserem Schreibtisch.

Doch ist das wirklich Realität?

Zunächst darf schon mal augenzwinkernd angezweifelt werden, ob das beA wirklich schneller ist als die Reichspost von damals. Denn wenn man den Ausführungen von Florian Illies in dessen Bestseller „1913” Glauben schenken darf, dann konnte Franz Kafka Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem Antwortschreiben seiner in Berlin lebenden Geliebten auf seinen in der Früh in Prag nach Berlin aufgegebenen Brief bereits am Folgetag rechnen (nur am Rande: von solchen Schnelligkeits- und Zuverlässigkeitswerten kann die Deutsche Post nur träumen).

Nun gut, werden Sie jetzt einwenden, die elektronische Übermittlung von Nachrichten ist aber immer noch um Quantensprünge schneller. Das mag sein. Aber wehe es gibt ein Problem mit Ihrem lieben beA – was angesichts der Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, in welchen Fällen Ersatzeinreichungen erlaubt sind und wann nicht, scheinbar nicht so selten vorkommt.

Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung besteht zunächst nur in Fällen einer vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung aus technischen Gründen. Bedienfehler erlauben eine Ersatzeinreichung also nicht.

Liegt bei Ihnen nun eine solche vorübergehende technische Unmöglichkeit vor und sie dürften Ihren Schriftsatz jetzt grds. per Ersatzeinreichung an das Gericht übermitteln, dann kommen die Zeitfresser aus ihren Löchern. Denn zusammen mit der Ersatzeinreichung müssen Sie dem Gericht gegenüber die vorübergehende technische Unmöglichkeit ja aufwändig glaubhaft machen. Am besten wälzen Sie sich hierzu durch die von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) erstellte Zusammenstellung über die verschiedenen technischen Störungen und befolgen deren Ratschläge, wie man diese jeweils belegen kann und muss. Beachten Sie jedoch, Ihre Arbeitszeit läuft ...

Haben Sie dann endlich die Glaubhaftmachung gefertigt, ist Ihnen – solange die technische Störung besteht – die bislang gewohnte Übermittlung Ihres Schriftsatzes etwa per Post oder per Telefax gestattet.

Wobei ich in unserer ach so schnellen Zeit nochmals vom Rückgriff auf die Deutsche Post dringlich abraten würde. Nachdem die Bundesnetzagentur Anfang August 2023 einen Antrag der Deutschen Post auf Erhöhung des Briefportos abgelehnt hat, möchte die Deutsche Post Briefe ab 2024 deutlich langsamer zustellen als bislang. Der Standardbrief würde dann ganze 3 Tage unterwegs sein dürfen. Aber vielleicht ist diese Strategie der Deutschen Post nicht den Kosten, sondern mehr dem dringlichen Kundenwunsch einer Rückkehr zur Gemütlichkeit geschuldet. Wer weiß das schon?

Und wie steht es nun bei den Gerichten, geht es da im Zeitalter fortschreitender Digitalisierung jetzt schneller zu als früher?

In einem aktuell von mir betreuten Verfahren vor dem Münchener Arbeitsgericht kam es im Kammertermin zu keiner Einigung. Entsprechend wurde vom Gericht ein Entscheidungstermin anberaumt. Das vom Gericht gesetzte Datum lief ab. Mehrfache telefonische Nachfragen bei der Geschäftsstelle in den folgenden 14 Tagen (!), wie die Entscheidung der Kammer denn nun ausgefallen sei, brachten keinen Erkenntnisgewinn. Die Akte sei von der Vorsitzenden noch nicht zurück, hieß es jedes Mal. Und im Übrigen sei die Geschäftsstelle auch unterbesetzt usw. Eine beA-Nachricht vom Arbeitsgericht ist bislang auch nicht eingegangen ...

Da gehe ich zur sinnvollen Nutzung meiner anwaltlichen Lebenszeit doch gleich wieder in den Biergarten und genehmige mir eine Maß Bier. Auf die Guillotin' kommt meine Mandantin, wie eingangs von...

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