Zusammenfassung

Der Berichtszeitraum umfasst die Zeit von April 2019 bis September 2019.

I. Zivilrecht

1. Die Betriebsgefahr (§ 7 StVG)

Mit diesem Komplex musste sich die Rechtsprechung im Berichtszeitraum häufiger befassen. Bei einem Brand hervorgerufen durch einen technischen Defekt des Fahrzeugs ist das Schadensgeschehen auch in einer Garage durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren geprägt worden und unterfällt daher der Betriebsgefahr (LG Karlsruhe NZV 2019, 369 [Schulz-Merkel]). Die Realisierung des Schadens erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen steht der Zurechnung der Betriebsgefahr i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegen, wenn die beim Betrieb geschaffene Gefahrenlage solange fort- und nachwirkte. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wird durch einen Sorgfaltspflichtverstoß eines mit der Schadensbeseitigung beauftragten Dritten i.d.R. nicht unterbrochen (BGH NJW 2019, 2227 m. Anm. Herbers = DAR 2019, 447 m. Anm. Schwab). In dem Fall war das verunfallte Kfz zunächst auf das Betriebsgelände eines Abschleppdiensts und von dort am nächsten Tag zur Werkstatt verbracht worden. Dort wurde von einem Mitarbeiter die Batterie nicht abgeklemmt. In der darauffolgenden Nacht kam es zu einem Kurzschluss, der zu einem großflächigen Brand in der Werkstattgarage führte (s.a. EuGH DAR 2019, 445). Wird ein Fahrzeug in einer Waschanlage auf einem Förderband bewegt, hat die Person im Fahrzeuginneren keinen Einfluss auf den Waschvorgang und könnte das Fahrzeug in gleicher Weise auch mit vorher ausgebauten Motor durch die Anlage gezogen werden, dann erfolgt der Abriss einer Antenne und daraus resultierende Schäden nicht mehr "beim Betrieb" i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG (LG Dortmund NJW-RR 2019, 66 = NZV 2019, 367 [Exter]).

Der Halter eines im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten Lkw haftet für die Gefahren, die während eines Entladevorgangs von einem auf dem Lkw montierten Ladekran ausgehen (OLG Köln NJW-RR 2019, 541 = VRR 6/2019, 14 [Knappmann] auf der Grundlage von BGHZ 208, 140 = NJW 2016, 1162). Be- und Entladevorgänge eines Lkw mittels einer Elektroameise und im Zuge dessen entstandene Schäden Dritter sind beim Betrieb des Lkw entstanden und können zur Halter- bzw. Fahrerhaftung nach §§ 7, 18 StVG führen (OLG Köln NJW-RR 2019, 595 = NZV 2019, 208 [Kleine-König]).

Die bloße Anwesenheit des Fahrers an der Unfallstelle zur Unfallzeit begründet allerdings nicht bereits dessen Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG. Erforderlich ist vielmehr, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen haben. Andererseits hängt die Haftung gem. § 7 StVG nicht davon ab, ob sich die im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuge berühren (berührungsloser Unfall; OLG Hamm NJW-RR 2019, 602).

 

Hinweis:

Die fehlende Zurechnungsmöglichkeit der Betriebsgefahr und des Mitverschuldens bei Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung behandelt Herbers zfs 2019, 311.

2. Verstöße, Haftungsverteilung und Mitverschulden (§§ 9, 17 StVG, 254 BGB)

a) Kollisionen von Kfz

aa) Verstöße

Ein Auffahrunfall als Kerngeschehen ist als Grundlage für die Annahme eines Anscheinsbeweises dann nicht hinreichend, wenn weitere Umstände des Unfalls bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die Typizität derartiger Fallgestaltungen sprechen. Dabei ist allein die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs nicht ausreichend. Der Auffahrende muss vielmehr zur Überzeugung des Gerichts Umstände nachweisen, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen, dass der Geschehensverlauf anders abgelaufen ist als nach der der Anscheinsregel zugrunde liegenden Erfahrungstypik. Behauptet der Auffahrende einen Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden als besonderen Umstand, dann ist die Möglichkeit eines solchen nicht hinreichend (LG Berlin NZV 2019, 261 [Hanke]). Steht fest, dass es zu einer nicht näher bestimmbaren Zeit vor dem Unfall zu einem Fahrspurwechsel von der rechten auf die linke Fahrspur gekommen ist, und ist i.Ü. der Sachverhalt nicht weiter aufklärbar, so dass einerseits die Möglichkeit besteht, dass der vorausfahrende Lkw unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO die Fahrspur gewechselt hat, andererseits aber auch die Möglichkeit, dass der Unfall auf eine verspätete Reaktion des auffahrenden Fahrers bzw. auf dessen Verstoß gegen das Abstandsgebot zurückzuführen ist, so scheidet ein Anscheinsbeweis zulasten des Auffahrenden aus (OLG Naumburg DAR 2019, 463). Bei einer beiderseitigen Fahrbahnverengung (Zeichen 120 Anl. 1 zu § 40 StVO) greift im Falle einer Kollision zweier Fahrzeuge nicht der Anscheinsbeweis des § 7 Abs. 5 StVO, da in einer solchen Verkehrssituation von einem Spurwechsel nicht die Rede sein kann. Vielmehr ist von den auf beiden Spuren fahrenden Fahrzeugführern die erforderliche Sorgfalt und Rücksicht nach § 1 Abs. 2 StVO zu erwarten (LG Hamburg NZV 2019, 209 [Bachmor]. Wer hinter einem Fahrschulfahrzeug, das als solches gekennzeichnet ist, fährt, muss seinen Abstand so wählen, dass er auch bei einem unangepassten Fahrverhalten des Fahranfängers – hier Abbremsen ohne zwingenden Grund – noch rechtzeitig anhalten kann (LG Saarbrücken NJW 2019, 173 = VRR 9/2019,...

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