Das in früherer Zeit geltende Mieterschutzgesetz sah in § 3 Abs. 2 MSchG eine Regelung vor, welche den Mieter vor einem unverschuldeten Zahlungsverzug infolge rechtsirrig erhobener Mietminderungs-, Zurückbehaltungsrechte und/oder Aufrechnungserklärungen schützte. Diese Regelung wurde sodann nicht in das BGB übernommen.

Nach überkommener Meinung ist § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB der anerkannte Grundsatz zu entnehmen, dass mangels Verschulden des Mieters kein Verzug vorliegt, wenn sich dieser in einem schuldlosen Irrtum über seine Zahlungspflicht befindet (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 543 Rn 103). Einigkeit besteht darin, dass für die Annahme eines schuldlosen Irrtums des Mieters zu fordern ist, dass dieser sorgfältig prüft, ob eine Einstellung oder angemessene Kürzung der Mietzahlungen gerechtfertigt ist. Sofern z.B. der Grund eines Mietmangels (die sog. Mangelursache) unklar ist, muss der Mieter eine hinreichend qualifizierte Person mit der Prüfung beauftragen und, sofern der Grund des Mietmangels weiter unklar bleibt, muss der Mieter die Miete vollständig unter Vorbehalt der Rückleistung zahlen, anderenfalls kommt er in Schuldnerverzug (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. m.w.N.). Macht der Mieter eine Mietminderung und/ oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend, so muss der jeweilige Betrag der zurückgehaltenen Miete in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Schwere des betreffenden Mangels stehen. So ist anerkannt, dass eine völlige Einbehaltung der Miete wegen Mängeln dann nicht gerechtfertigt ist, wenn der Mietgebrauch lediglich geringfügig eingeschränkt ist (LG Mannheim, Urt. v. 30.10.1975 – 4 S 102/75). Sofern Zweifel über das Bestehen und/oder die Höhe des berechtigterweise zurückzuhaltenden Betrags bestehen, muss der Mieter Rechtsrat einholen, wobei hier neben den Vertretern der Rechtsanwaltschaft auch solche Personen in Betracht kommen, bei denen hinreichende Anhaltspunkte für deren Kompetenz vorliegen.

 

Praxistipp:

Mitarbeiter gerichtlicher (Rechtsantragsstelle) oder kommunaler Auskunftsstellen und der Mietervereine sind nach h.M. solche Personen, denen eine hinreichende Auskunftskompetenz zugeschrieben wird.

Umstritten ist, welche Rechtsfolge eintritt, wenn der Mieter durch seinen Rechtsanwalt bzw. diesen gleichstellten Auskunftspersonen falsch beraten wird. Nach einer in der Literatur vertretenen hat der Mieter nur die ihm obliegende Sorgfalt bei Auswahl des Beraters zu beachten, für eine fehlerhafte Beratung des Beraters hafte der Mieter mangels Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe nach § 278 BGB hingegen nicht (Lorenz, WuM 2013, 202, 206 f.). Nach der vorzugswürdigen h.M. hat der Mieter auch für fehlerhafte Auskünfte seines Rechtsberaters (namentlich Rechtsanwalts) oder auch anderer Auskunftspersonen einzustehen, da es sich hierbei um Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB handelt (BGH, Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06; BGH, Urt. v. 13.5.2018 – XII ZR 65/14; Palandt/Weidenkaff, 78. Auflage 2019, § 573 Rn 14; a.A. KG, Rechtsentscheid v. 15.6.2000 – 16 RE-Miet 10611/99).

 

Praxistipp:

Nach Auffassung des BGH sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums des Mieters strenge Maßstäbe anzulegen. Er hat insoweit wörtlich folgendes ausgeführt:

"Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten." Ein Irrtum ist nur dann entschuldigt, "wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage handelt bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt." (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06).

In diesem Zusammenhang bleibt es bei den allgemein anerkannten Grundsätzen, dass der Mieter darlegen und beweisen muss, dass er ohne Verschulden an der Entrichtung der Miete gehindert war (BGH, Urt. v. 11.4.2012 – XII ZR 48/10). Nach der Rechtsprechung des BGH gelten diese Grundsätze sowohl für die Verzugshaftung des Mieters als auch für die Wirksamkeit einer Vermieterkündigung (BGH, Urt. v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14). Will der Mieter also eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs vermeiden, sofern nach Auffassung des Mieters Mängel vorhanden sind, so muss er die Miete unter dem einfachen Vorbehalt der Rückforderung bezahlen, da der einfache Vorbehalt Erfüllungswirkung nach § 362 BGB zeitigt (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 362 Rn 14). Unter einem solchen einfachen Vorbehalt ist zu verstehen, dass der Mieter deutlich macht, nur unter Vorbehalt zu leisten, um die Wirkung von § 814 BGB auszuschließen und sich einen Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB für den Fall vorbehalten will, dass er das Nichtbestehen der Forderung beweist (BGH, Urt. v. 24.11.2006 – LwZR 6/05). Allerdings ist auf Mieterseite zu beachten, dass der einfache Vorbehalt zu einer Umkehr der Beweislast führt (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 543 Rn 103). Ein qualifizierter Vorbehalt ist fü...

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