Vertrauensarbeitszeit beschreibt ein Arbeitszeitmodell, in dem sich die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit frei einteilen können. Auf den Punkt gebracht, geht es um die Berechtigung des Arbeitnehmers, seine geschuldete Arbeitszeit eigenverantwortlich, ohne Kontrolle seitens des Arbeitgebers festzulegen. Im Vordergrund stehen die erbrachte Arbeitsleistung und ihr Erfolg. Der Vorteil dieses Arbeitszeitmodells ist, dass Arbeitnehmer flexibel in arbeitsintensiven Phasen mehr Stunden pro Tag arbeiten und dafür an anderen Tagen mit geringerer Auslastung weniger. In Abgrenzung zur Gleitzeit sind keine Kernarbeitszeiten festgeschrieben (beachte aber sog. schwache Formen der Vertrauensarbeitszeit, die tägliche Mindestanwesenheitszeiten oder verpflichtend wahrzunehmende Termine/Besprechungen/Abstimmungen festlegen; Stichwort „Vorbehalt betrieblicher Interessen”). Die Arbeitnehmer müssen sich bei Vertrauensarbeitszeit nicht (immer) mit ihren Vorgesetzten oder Kollegen abstimmen, wenn sie später mit der Arbeit anfangen oder früher aufhören. Sie können dies grds. frei entscheiden. Auch die Pausenzeiten können im gesetzlichen Rahmen individueller gestaltet werden. Damit zielt Vertrauensarbeitszeit als Teil von Arbeit 4.0 darauf ab, die Arbeitskraft der Arbeitnehmer ergebnisorientiert flexibler und damit effizienter als in einem starren, tradierten Arbeitszeitmodell nutzen zu können (vgl. Höpfner/Daum, RdA 2019, 270).

Wesentliches Merkmal der Vertrauensarbeitszeit war dabei bisher, dass grds. keine Zeiterfassung erforderlich war und durchgeführt wurde (beachte aber bereits BAG, Urt. v. 6.5.2003 – 1 ABR 13/02, NZA 2003, 1348 zur Organisationspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der Einhaltung der Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen; s.a. LAG München, Urt. v. 11.7.2022 – 4 TaBV 9/22, juris), weil der Arbeitgeber darauf vertraute, der in Vertrauensarbeitszeit von ihm beschäftigte Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen.

Nach der Entscheidung des BAG, Urt. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21 (a.a.O.) gilt dies aber mit Blick auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG nicht mehr. Die Vertrauensarbeitszeit wird durch die neue Rechtslage tangiert, da die Erfassung der gesamten täglichen Arbeitszeit nunmehr zwingend ist und die Arbeitnehmer dies als Misstrauen empfinden können („Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.”), was das Arbeitszeitmodell u.U. Frage stellt und deshalb in der Literatur (vgl. Greiner/Kalle, NZA 2023, 547, 550 f.; Fuhlrott/Herzig, ArbRAktuell 2023, 221, 222; Grau/Kruppa, RdA 2022, 73, 74 ff.; Ginal/Tribess, GWR 2019, 317) kritisch diskutiert wird.

Die Delegation der Arbeitszeiterfassung auf die Arbeitnehmer ist in Anbetracht der zulasten des Arbeitgebers vorgesehenen Anforderungen bei der Vertrauensarbeitszeit mit zusätzlichem erheblichen Kontroll- und administrativen Aufwand verbunden.

Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass eine Erfassung der Arbeitszeit auch bisher, beispielsweise durch ein Arbeitszeitkonto, für beide Vertragsparteien durchaus von Vorteil sein konnte: Die geleistete Arbeitszeit war/ist dann „schwarz auf weiß” dokumentiert und es bleibt kein Raum für Streit über diesen Punkt zwischen den Parteien. Im Übrigen hat der Fünfte Senat des BAG schon im Jahr 2013 entschieden, dass die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegensteht, noch sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens ausschließt (BAG, Urt. v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295; zu Risiken von Arbeitszeitkonten Felisiak/Sorber, SPA 2021, 61).

In der Praxis (zum digitalen Arbeitsplatz Dressel, RDi 2021, 143) gibt es zudem sehr flexible Methoden zur digitalen Zeiterfassung, weshalb sich Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung nicht wechselseitig ausschließen (vgl. Gröne, NZA-RR 2023, 116, 117). Kleinere und mittlere Unternehmen, die bisher noch nicht in geeignete Systeme zur (digitalen) Erfassung der Arbeitszeit investiert haben, werden durch das „Stechuhr”-Urteil des BAG zum Handeln gezwungen. Sie stehen vor erheblichen wirtschaftlichen und administrativen Belastungen. Die vom BMAS geschätzten Kosten für die technische Einführung einer Erfassung i.H.v. 450 EUR pro Betrieb dürften dabei deutlich zu tief angesetzt sein. Diese Kosten entsprechen auf Grundlage einer Internetrecherche den Kosten einer für kleine und mittelgroße Unternehmen geeigneten Stempeluhr. Kosten für Komplettsysteme zur Zeiterfassung beginnen eher bei 1.500 EUR, wobei häufig individuelle, nutzerbezogene Abo-Pakete die Regel sind, die deutlich höhere Kosten im Lauf der Zeit nach sich ziehen.

Nicht übersehen werden darf dabei, dass das Risiko der Selbstausbeutung des Arbeitnehmers bei Vertrauensarbeit und den mit ihr einhergehenden flexiblen Arbeitszeiten i.d.R. erhöht ist. Eine Verlängerung der Arbeitszeit bedingt dabei zwangsläufig immer eine Verkürzung der Ruhezeiten. Laut Gewerkschaften (Interview mit Daniel Hlava (HSI) https://www.boeckler....

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