Entscheidungsstichwort (Thema)

Einleitung eines Beschlussverfahrens durch den Betriebsrat. Einladung zur Betriebsratssitzung. Arbeitszeitkontrolle durch den Betriebsrat. Überwachungsrecht des Betriebsrats aus § 80 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

Der örtliche Betriebsrat fordert (i.E. erfolgreich) Auskunft über Arbeitszeiten von Aussendienstmitarbeitern, für die nach einer Gesamtbetriebsvereinbarung Vertrauensarbeitszeit gelten soll. Gleichzeitig zur Anforderung an die Ladung des Betriebsrats zu einer Sitzung: Es genügt ein Schreiben der Assistentin des BR im Auftrag des BR-Vorsitzenden.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens durch den Betriebsrat bedarf - ebenso wie die Beauftragung des für ihn auftretenden Rechtsanwalts - eines Beschlusses des Gremiums. Ist dies unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der für den Betriebsrat gestellte Antrag als unzulässig abzuweisen. Eine Genehmigung durch eine nachträgliche Beschlussfassung ist bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung, durch die der Antrag als unzulässig abgewiesen wird, möglich.

2. Nach § 29 Abs. 2 S. 1 BetrVG muss die Ladung zur Sitzung des Betriebsrats durch dessen Vorsitzenden geschehen. Dies bedeutet aber nicht, dass dieser eigenhändig die Einladung verfassen und versenden muss. Vielmehr kann er sich dazu auch eines Dritten, z.B. der Assistentin des Betriebsrats, bedienen. Für die Eingeladenen muss nur erkennbar sein, dass Veranlassender der Einladung der dafür zuständige Vorsitzende und nicht ein Dritter ist.

3. Der Betriebsrat hat gem. § 16 Abs. 2 ArbZG einen Anspruch auf Überlassung der Unterlagen zu Arbeitszeiten, die über die täglichen acht Stunden hinausgehen.

4. Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört die Überprüfung, ob die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eingehalten werden. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben ergeben und er tätig werden muss. Zu dieser Überwachungsaufgabe zählt auch die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes bei den Außendienstmitarbeitern.

 

Normenkette

BetrVG §§ 29, 33, 50 Abs. 1 S. 1, § 80; ZPO § 259; ArbZG § 5 Abs. 1, §§ 7, 16 Abs. 2; BetrVG § 33 Abs. 2, § 50 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 18.10.2021; Aktenzeichen 29 BV 61/21)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 18.10.2021, Az: 29 BV 61/21, unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

1. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) bis zum 15. des Folgemonats folgende Auskünfte über die Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers im Vertriebsaußendienst des Betriebs der Y - ausschließlich der leitenden Angestellten - zu erteilen:

- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit an jedem Arbeitstag des Vormonats;

- jede Über- bzw. Unterschreitung der regelmäßigen betrieblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38.5 Stunden, bezogen auf jede Woche, die im Vormonat endet;

- jede an Sonn - und Feiertagen des Vormonats geleistete Arbeitsstunde.

2. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) die gem. § 16 Abs. 2 S. 1 BetrVG erforderlichen Aufzeichnungen über die über acht Stunden pro Tag hinausgehende Arbeitszeit für jeden Monat spätestens zum 15. des Folgemonats zur Verfügung zu stellen.

3. Im übrigen wird der Antrag (3) abgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über Auskunftsansprüche.

Der Beteiligte zu 1) ist der zköpfige Betriebsrat in dem Betrieb "Y" der Beteiligten zu 2), die ein Mobilfunk- und Telefonfestnetz betreibt und in ihrem Betrieb "Y" derzeit ca. 545 Arbeitnehmer beschäftigt. In allen Betrieben - mit Ausnahme der Zentrale - sind Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst tätig.

Die betriebliche Organisation der Beteiligten zu 2) basiert auf einem Zuordnungstarifvertrag gem. § 3 BetrVG vom 19.09.2013 (in Anlage B2 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 23.06-2021, Bl. 54 ff.d.A.). Dieser sieht eine Unterteilung in Regionen vor, von denen drei in Doppelregionen zusammengefasst sind, worin eine übergreifende Leitungsstruktur in den Vertriebsorganisationen besteht.

Seit 20.05.2009 wird die Arbeitszeit aller Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) im Vertriebsaußendienst durch die Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der X und dem Gesamtbetriebsrat der X über einheitliche Arbeitszeiten für Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst geregelt (in Anlage B1 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 23.06.2021, Bl. 62 ff. d.A. künftig: GBV). Diese regelt u.a. folgendes:

1. Geltungsbereich

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt:

- räumlich: für alle Betriebe und Betriebsstätten der ...

- persönlich: für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ff. Mitarbeiter) der X, des Vertriebsaußendienstes. Ausgenommen sind leitende Angestellte gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG.

(...)

5. Verteilung der Arbeitszeit

Die Mitarbeiter können unte...

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