Das OLG Dresden (Beschl. v. 13.3.2015 – 22 Ss 14/15, ZAP EN-Nr. 490/2015 = StRR 2015, 273) ruft noch einmal zwei Fragen auf, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder eine Rolle spielen. Das LG hatte den Angeklagten wegen Diebstahls verurteilt. Zum Tathergang war in den Urteilsgründen (lediglich) ausgeführt, der Angeklagte habe zu den jeweiligen Tatzeitpunkten diverse Kleidungsstücke "entwendet". Bei der Bemessung der Einzelstrafen wurde jeweils der erhöhte Strafrahmen des § 243 StGB zugrunde gelegt.

1. Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen

Das OLG hat zunächst beanstandet, dass das landgerichtliche Urteil keinerlei Feststellungen zu den jeweiligen Wegnahmehandlungen enthielt. Es werde lediglich mitgeteilt, der Angeklagte habe das jeweilige Diebesgut "entwendet", der tatsächliche "Entwendungsvorgang" werde jedoch nicht geschildert. Es könne deshalb nicht beurteilt werden, ob es zu einem Gewahrsamsbruch oder lediglich zu einer Gewahrsamslockerung gekommen ist.

 

Hinweis:

Die Entscheidung entspricht damit der h.M. in der Rechtsprechung der OLG. Diese haben wiederholt entschieden, dass die Feststellung, der Angeklagte habe Diebesgut "entwendet" oder "an sich genommen", nicht ausreicht, um die für den Diebstahl charakteristische Tathandlung der Wegnahme zu belegen. Insbesondere bleibe bei derartigen Formulierungen offen, ob es bereits zu einem Bruch des Gewahrsams oder lediglich zu dessen Lockerung gekommen ist (s. nur OLG Hamm NStZ-RR 2013, 343, StRR 2014, 104; OLG Bamberg, Beschl. v. 1.10.2013 – 3 Ss 96/13).

2. Entfernen von Sicherungsetiketten

Darüber hinaus hat das OLG Dresden auch die Heranziehung des erhöhten Strafrahmens des § 243 StGB als rechtsfehlerhaft beanstandet. Den Urteilsgründen lasse sich schon nicht entnehmen, ob das AG das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB als erfüllt angesehen hat, weil der Angeklagte bei count()den Taten einen Magneten verwendet hatte, um die jeweiligen Sicherungsetiketten aus den Kleidungsstücken zu entfernen, oder ob es einen unbenannten besonders schweren Fall angenommen hat. Die Annahme, das in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB genannte Regelbeispiel sei erfüllt, wäre i.Ü. nach Auffassung des OLG rechtlich nicht haltbar. Elektronische Sicherungsetiketten dienten nämlich nicht dem Schutz gegen einen Gewahrsamsbruch, sondern der Wiedererlangung des bereits an den Täter verloren gegangenen Gewahrsams.

 

Hinweis:

Das OLG Dresden (a.a.O.) verweist zudem darauf, dass ein unbenannter besonders schwerer Fall durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände, aus der sich ergeben müsse, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist, belegt werden muss. In dem Zusammenhang erscheint es dem OLG fraglich, ob alleine das Entfernen der Sicherungsetiketten mittels des vom Angeklagten mitgeführten Magneten den Fall so deutlich von den im Durchschnitt vorkommenden Fällen des Diebstahls von Bekleidung in Kaufhäusern abhebt, dass hierauf die Annahme eines besonders schweren Falls gegründet werden konnte.

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