Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 Ns 183/11) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten mit Urteil vom 16. Mai 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Detmold mit Urteil vom 15. November 2011 verworfen.
Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Aufhebung des Urteils verfolgt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen.
II.
Die Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufig - Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), da die vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung in der Tatbestandsvariante der lebensgefährdenden Behandlung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht tragen.
Das Landgericht hat zum objektiven Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:
"(...) Nun kam der Angeklagte jedoch zurück und ging die Nebenklägerin körperlich an. Mehrfach schlug er ihr mit der flachen Hand und Fäusten ins Gesicht sowie auf den Kopf. Er riss ihr an den Haaren, würgte sie mehrfach mit einer oder beiden Händen, so dass sie nach Atem rang. Einmal versetzte er ihr einen so heftigen Schlag mit der Faust auf das Ohr, dass das Trommelfell riss. Immer wieder schlug er auf sie ein und drangsalierte sie in der geschilderten Art. (...) Sie erlitt zahlreiche Hämatome im Gesicht, am Kopf und am Körper. Der Riss des Trommelfells ist mittlerweile folgenlos verheilt. Körperliche Folgeschäden sind nicht mehr zu befürchten."
Eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB belegen diese Feststellungen nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann festes Würgen am Hals zwar generell geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen, allerdings reicht insoweit nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hämatomen führt (vgl. BGH NJW 2002, 3264, 3265; BGH NStZ-RR 2005, 44; BGH NStZ-RR 2006, 11; BGH NStZ 2011, 90). Für die Beurteilung, ob eine Einwirkung auf den Hals abstrakt geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden, kommt es maßgeblich auf Dauer und Intensität der Einwirkung an (vgl. BGH a.a.O.). Ausreichende Feststellungen, die die abstrakte Eignung des Würgens für eine Gefährdung des Lebens der Nebenklägerin belegen würden, enthält das angefochtene Urteil nicht. Feststellungen zur Dauer entbehren die Urteilsgründe völlig; aus der Formulierung"so dass sie nach Atem rang"kann allenfalls vage auf die Intensität geschlossen werden.
Diese Mängel führen zur Aufhebung des gesamten Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat ergänzend auf folgendes hin:
Sollte nach Feststellung von Dauer und Intensität des Würgens unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zweifelhaft sein, ob Dauer und Intensität des Würgens abstrakt geeignet waren, das Leben der Nebenklägerin zu gefährden, wird sich die Kammer gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen müssen.
Nach der rechtlichen Würdigung hat die Kammer die von ihr angenommene lebensgefährdende Behandlung allein auf das Würgen gestützt. Im angefochtenen Urteil heißt es insoweit:"Er hat die Nebenklägerin nicht nur mit einer sondern mit beiden Händen so gewürgt, dass diese nach Atem rang. Eine derartige Behandlung ist generell geeignet, das Leben zu gefährden."
Unter Umständen war aber auch einer oder mehrere der in den Feststellungen erwähnten Faustschläge, insbesondere der Schlag mit der Faust auf das Ohr der Nebenklägerin, bei der das Trommelfell riss, abstrakt geeignet, das Leben der Nebenklägerin zu gefährden. Denn grundsätzlich kann eine das Leben gefährdende Behandlung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bereits dann vorliegen, wenn nur ein einziger wuchtiger Faustschlag gezielt geführt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 7. August 2001, Az.: 3 Ss 623/01 ≪veröffentlicht bei [...]≫). Auch bei der Beantwortung dieser Frage wird sich die Kammer gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen müssen.
Fundstellen