Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestfeststellungen zur Wegnahme beim Ladendiebstahl
Leitsatz (amtlich)
Mit der Feststellung, der Angeklagte habe bestimmte Artikel in einem Selbstbedienungsmarkt "an sich genommen", um diese für sich zu behalten, wird die für den Diebstahl charakteristische Tathandlung der Wegnahme nicht hinreichend belegt. Insbesondere bleibt offen, ob es bereits zu einem Gewahrsamsbruch gekommen oder lediglich von einer Gewahrsamslockerung auszugehen ist.
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Das AG hat den Angekl. wegen Diebstahls und Diebstahls mit Waffen zur Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angekl. Berufung eingelegt, die das LG mit der Maßgabe verworfen hat, dass die verhängte "Freiheitsstrafe auf 10 Monate reduziert" wird. Mit seiner hiergegen geführten Revision rügte der Angekl. die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel erwies sich als begründet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist auf die Sachrüge begründet. Schon der Schuldspruch wird hinsichtlich beider Taten nicht von den tatsächlichen Feststellungen getragen. Im Übrigen weist auch die Strafzumessung grundlegende Rechtsfehler auf. Schließlich hat sich das LG nicht mit der Frage einer Unterbringung des Angekl. in einer Entziehungsanstalt befasst.
1. Den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil kann bereits nicht entnommen werden, ob die Diebstähle jeweils vollendet wurden. Im angefochtenen Urteil ist lediglich mitgeteilt, dass der Angekl. die Waren in einem Drogeriemarkt "an sich genommen" habe, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Damit ist aber das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme i.S.v. § 242 I StGB nicht belegt. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Die rudimentären Feststellungen lassen nicht die Beurteilung zu, ob der bisherige Gewahrsam des Berechtigten aufgehoben worden oder ob es lediglich zu einer bloßen Gewahrsamslockerung gekommen war. Zwar würde (bei Sachen geringen Umfangs) bereits das Einstecken in die Tasche oder das Verbergen der Beute für die Vollendung der Wegnahme genügen (BGH NStZ-RR 2013, 276; Fischer StGB 60. Aufl. § 242 Rn. 18). Auch wäre der Diebstahlstatbestand zweifelsfrei dann vollendet gewesen, wenn der Angekl. mit den Gegenständen die Geschäftsräume verlassen hätte. Ob dies hier der Fall war, stellt das Urteil aber gerade nicht fest. Ferner könnte u.U. bei kleinen, leicht beweglichen Gegenständen zwar auch schon das Ergreifen und Festhalten genügen (Fischer a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 6. 5. 2013 - III-5 RVs 38/13 [bei [...]]). Aber auch hierzu geben die Urteilsfeststellungen nichts her. Dort ist nur von 6 bzw. 9 Parfumfläschchen die Rede, die der Angekl. an sich genommen habe.
2. Ferner hält auch die Bemessung der verhängten Einzelstrafen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Beim Diebstahl mit Waffen sieht das Gesetz in § 244 III StGB einen minder schweren Fall vor. Dies wird im angefochtenen Urteil überhaupt nicht thematisiert. Nur in Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller für die Bewertung des Täters und der Taten bedeutsamen Umstände im Einzelfall ein minder schwerer Fall von vornherein nicht auf der Hand liegt, kann darin, dass das tatrichterliche Urteil einen solchen nicht erwähnt, ein Rechtsfehler nicht gesehen werden (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 57). Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer allerdings einen vertypten Strafmilderungsgrund (§ 21 StGB) angenommen und darüber hinaus einen Zusammenhang mit der "Sucht" des Angekl. gesehen, so dass durchaus Anlass für die Prüfung eines minder schweren Falls bestanden hätte.
b) Ferner ist die Begründung, mit der das LG eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 StGB abgelehnt hat, rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat insoweit darauf abgestellt, dass "der Angeklagte seit langem um seine Alkohol- und Drogensucht wisse, aber keine Anstalten getroffen habe, um ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und von der Sucht wegzukommen". Diese Argumentation ist nicht geeignet, von einer Strafrahmenverschiebung abzusehen. Zwar können schulderhöhende Umstände zur Versagung der fakultativen Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 I StGBführen, wenn durch diese Umstände die durch eine Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufgewogen wird (vgl. Fischer § 21 Rn. 20 ff.). Dies setzt im Falle einer alkohol- oder betäubungsmittelbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit aber regelmäßig voraus, dass sie auf eine selbst zu verantwortende, verschuldete Berauschung zurückgeht und diese dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist (BGH NStZ 2008, 330). Eine Intoxikation ist dem Täter jedenfalls dann nicht uneingeschränkt vorwerfbar, wenn er alkoholkrank oder betäubungsmittelabhängig ist (Fischer § 21 Rn. 26 m.w.N.). Aus den gleichen Gründen kann dem Angekl. aber auch nicht, wie es die Strafkammer getan hat, die Milderungsmöglichkeit deshalb versagt werden, weil er keine therapeutischen Maßnahmen zur Bekämpfung der vom LG zugrunde gelegten Such...