Der starke Zuzug nach Berlin verbunden mit nicht ausreichendem Wohnungsneubau aufgrund von u.a. langen Bearbeitungszeiten für Baugenehmigungen und nicht ausreichender Bereitstellung von Bauland hat in Berlin zu nicht unerheblichen Mietsteigerungen geführt. Das hat das Land Berlin aufgrund eines Aufsatzes eines Mitarbeiters der Berliner Senatsverwaltung (Weber JZ 2018, 1022) verleitet, eigene Regelungen zur Miethöhe in Form des sog. Mietendeckels zu schaffen. Es sollte sich um öffentlich-rechtliche Beschränkungen der zivilrechtlich zulässig vereinbarten Miete handeln. Allen Hinweisen aus der Wissenschaft und der eigenen Senatsverwaltung zum Trotz, dass das Land keine Gesetzgebungszuständigkeit habe, hat die rot-rot-grüne Landesregierung das Gesetz verabschieden lassen. Dabei hat die Politik selbst auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen und die Mieter aufgefordert, entsprechende Rücklagen zu bilden. Man wollte den "schwarzen Peter" schlicht nach Karlsruhe weiterleiten, weil man nicht den Mut hatte zu sagen, dass es so nicht gehe. Deshalb kam die Entscheidung des BVerfG (NJW 2021, 1377 = NZM 2021, 347 = GE 2021, 561 = WuM 2021, 290 = ZMR 2021, 464), wonach das Gesetz von Anfang an nichtig ist, da das Land nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes nicht zuständig ist, nicht überraschend (Börstinghaus ZAP F. 4 R, S. 1005).

Die Auswirkungen in Berlin sind weitreichend:

  1. Alle Mietenbeschränkungen aufgrund des Mietendeckels sind unwirksam.

    • Haben die Parteien eine höhere Miete vereinbart und hat der Vermieter diese nur wegen der gesetzlichen Regelung nicht verlangt (Schattenmiete), so kann der Vermieter die höhere Miete vom Zeitpunkt der Vereinbarung verlangen. Die Beschränkung hat es juristisch aufgrund der Entscheidung des BVerfG nie gegeben. Deshalb gelten für diese Nachzahlung auch keine Jahressperrfrist und/oder keine Kappungsgrenze.
    • Die vereinbarte Miete muss aber zulässig gewesen sein. Insofern gelten die Vorschriften der Mietpreisbremse gem. § 556d ff. BGB.
  2. Vermieter können eine unterhalb der Marktmiete liegende Vertragsmiete, die sie wegen des Mietendeckels vereinbart haben, zumindest auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen. Hier gelten aber die Jahressperrfrist und die Kappungsgrenze.
  3. Schadensersatzansprüche gegen das Land wegen des legislativen Unrechts bestehen weder für Mieter, die sich darauf verlassen haben, eine Wohnung zu einer geringeren Miete anmieten zu können, noch für Vermieter, die Teile der ihnen nach den gesetzlichen Vorschriften zustehenden Miete nicht erhalten haben.
  4. Noch nicht abschließend geklärt sind die Auswirkungen auf den Mietspiegel. Das Land Berlin hat zwar einen neuen Mietspiegel 2021 veröffentlicht, ob dieser wirksam ist, ist aber mehr als zweifelhaft. Der Mietspiegel geht wohl vom falschen Betrachtungszeitraum aus, da er die zweite Fortschreibung des auf einem vierjährigem Betrachtungszeitraum beruhenden Mietspiegels 2017 ist. Außerdem ist fraglich, welche Mieten überhaupt in Berlin die ortsübliche Vergleichsmiete bilden. Nach § 558 Abs. 2 BGB sind Mieten solcher Wohnungen ausgenommen, bei denen die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Das ist zwar aufgrund der Nichtigkeitserklärung der Beschränkung durch das BVerfG formal nicht der Fall, aber die Mieten, die trotzdem niedriger vereinbart wurden und nicht erhöht werden können, fallen nach Sinn und Zweck schon unter die Regelung. Schattenmieten sind auf jeden Fall zu erfassen, soweit sie zulässig waren. Ob man das bei der Datenerhebung aber abfragen kann, erscheint schon fraglich.

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