Soll dem Angeklagten wegen einer Nichtkatalogtat i.S.d. § 69 Abs. 2 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden, muss der Tatrichter eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt (BGH zfs 2018, 49 = NZV 2018, 193 = StV 2018, 414). In dem Zusammenhang belegt das Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem deutlichen und zumindest mitunfallursächlichen Einfluss von Amphetaminen in aller Regel eine erhebliche charakterliche Unzuverlässigkeit, die auch die Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs nahelegt. Dies rechtfertigt jedoch kein Absehen von jeglicher Begründung (BGH a.a.O.).

Trotz einer Trunkenheitsfahrt mit Unfallverursachung und einer festgestellten BAK des alkoholgewöhnten Angeklagten von 3,12 ‰ kann ausnahmsweise von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden, wenn die Regelvermutung des § 69 StGB widerlegt ist. Dies ist der Fall, wenn der Angeklagte selbstständig, ohne dass es eines äußeren sozialen Drucks bedurfte, seit mehr als einem Jahr keinen Alkohol mehr konsumiert und erfolgreich eine verkehrspsychologische Einzeltherapie absolviert hat, in der er sich intensiv mit dem Umgang mit Alkohol und seiner Tat auseinandergesetzt hat (AG Tiergarten VA 2017, 125).

Am 13.10.2017 ist der neue § 315d StGB in Kraft getreten, der Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr verbietet. Bei Zuwiderhandlung ist in § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgesehen. Als soweit ersichtlich erstes LG hat sich jetzt das LG Stade mit dieser Neuregelung befasst (vgl. Beschl. v. 4.7.2018 – 132 Qs 88/18). Dem Beschuldigten war vom AG nach einem Verkehrsunfall – er soll vor einer Kurve mehrere Fahrzeuge überholt haben und ist anschließend mit entgegenkommenden Fahrzeugen zusammengestoßen – die Fahrerlaubnis u.a. gestützt auf ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen nach dem neuen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB – sog. Alleinrennen – entzogen worden. Das LG hat aber den Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens gem. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint. Bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen – auch wenn sie erheblich sind – seien nicht von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB umfasst (vgl. BT-Drucks 18/12964, S. 6). Strafbar soll sein, wer "objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt" (vgl. BT-Drucks 18/12936, S. 2). Nach Auffassung der Kammer dient der Kraftfahrzeugverkehr und ein Überholvorgang regelmäßig dem "möglichst" schnellen Vorankommen (vgl. auch Fischer, a.a.O., § 315d Rn 18), so dass für die Verwirklichung des Straftatbestands des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zum bloßen zügigen Überholen ein Fahren mit Renncharakter hinzukommen muss. Ein Renncharakter sei dann gegeben, wenn der Fahrer sein Fahrzeug bis an die technischen und physikalischen Grenzen ausfährt. Hierfür sieht die Kammer nach vorläufiger Würdigung des Akteninhalts keine ausreichenden Anhaltspunkte.

 

Hinweis:

"Fahren mit Renncharakter"? Wie das beim "Alleinrennen" gehen soll, wenn man nicht gegen jemanden "anfährt", ist fraglich. Soll dann das Ausfahren bis an die technischen und physikalischen Grenzen reichen? In meinen Augen wenig durchdacht, was der Rechtsausschuss des Bundestags da im Gesetzgebungsverfahren noch in die Neuregelung der §§ 315d, 69 StGB hinzugefügt hat. Denn die Nr. 3 in § 315d StGB stammt vom Rechtsausschuss. Es zeigt sich schon jetzt, dass die Praxis Schwierigkeiten mit der Regelung hat.

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