Der BGH hat kürzlich eine wichtige Entscheidung zur Anwaltshaftung in Konstellationen gefällt, in denen der Mandant das Mandat aus wichtigem Grund gekündigt und den Anwalt gewechselt hat. Er hat hier insb. auf die Bedeutung der Frist aus § 626 Abs. 2 BGB hingewiesen (Urt. v. 16.7.2020 – IX ZR 298/19, s. ZAP EN-Nr. 383/2020, in dieser Ausgabe).

In dem entschiedenen Fall sollte der – später verklagte – Anwalt für den Mandanten eine Schadenersatzforderung aus falscher Anlageberatung gegen einen Anlageberater geltend machen. Der Kollege "roch" offenbar das ganz große Geschäft und drängte den Mandanten – trotz eines inzwischen vorliegenden, durchaus akzeptablen Vergleichsangebots des Anlageberaters –, eine zusätzliche Anwältin mit "banktechnischer Kompetenz" hinzuzuziehen, die für ihre Leistungen 16 % der Schadenersatzleistung erhalten sollte. Diese zweite Rechtsexpertin war, was dem Mandanten nicht offengelegt wurde, die Ehefrau des Anwalts. Nachdem der Mandant sich wiederholt geweigert hatte, den angesonnenen weiteren Beratungsvertrag zu unterschreiben, und die Sache sich hinzog, kündigte er schließlich seinen Anwaltsvertrag und wechselte die Kanzlei. Vom Anwalt verlangte er anschließend den Ersatz der Mehrkosten. Vor dem LG hatte er damit Erfolg, vor dem OLG und letztinstanzlich vor dem BGH allerdings nicht.

Die Richter des IX. BGH-Senats ließen offen, ob sich der Anwalt hier, wie der klagende Mandant behauptet, des "ungebührlichen und vertragswidrigen Verhaltens" schuldig gemacht hatte. Jedenfalls habe der Mandant die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Nach Feststellung des vertragswidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts hätte er innerhalb von zwei Wochen kündigen müssen, so der Senat. Nach einhelliger Auffassung gelte für den Anwaltsvertrag, der nach §§ 627, 628 BGB zu beurteilen sei, auch die Fristenregelung des § 626 BGB. Verstreiche ein Zeitraum von mehr als zwei Wochen nach dem vertragswidrigen Verhalten eines Teils, ohne dass der andere Teil darauf mit einer Kündigung reagiere, gelte die unwiderlegbare Vermutung, dass die Fortsetzung des Vertrags dem anderen Teil nicht unzumutbar sei.

Wenn ein pflichtwidriges Verhalten einer Vertragspartei aber nicht mehr zum Anlass einer vorzeitigen Beendigung des Rechtsverhältnisses genommen werden könne, entfalle damit auch der Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB wegen dieses Verhaltens. Andernfalls bestünde ein nicht auflösbarer Widerspruch zwischen der Bestimmung über die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB und der Vorschrift über den Schadenersatz nach § 628 BGB. § 628 Abs. 2 BGB könne nicht als Auffangtatbestand für wegen Versäumung der Ausschlussfrist misslungene außerordentliche Kündigungen verstanden werden.

Für Rechtsanwälte, deren Mandant den Vertrag fristlos kündigt, gilt es also künftig, präzise auf die Zwei-Wochen-Frist zu achten!

[Quelle: BGH]

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