Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat auf ein kürzlich ergangenes Urteil des BGH-Anwaltssenats hingewiesen, das die kostenlose Erstberatung durch einen Rechtsanwalt für zulässig erklärt hat (Urt. v. 3.7.2017 – AnwZ [Brfg] 42/16).

In dem zugrunde liegenden Fall, der das Verkehrsrecht betraf, war die Rechtsanwaltskammer Brandenburg gegen einen Kollegen vorgegangen, dessen Kanzlei in einer Regional-Zeitung wie folgt geworben hatte:

"Verkehrsunfall – kostenlose Erstberatung. Kennen Sie Ihre Rechte nach einem Verkehrsunfall? Unsere Kanzlei bietet Ihnen ab sofort nach einem Verkehrsunfall eine kostenlose Erstberatung an. Sichern Sie Ihre Rechte und vereinbaren Sie sofort nach einem Verkehrsunfall einen Termin mit unserer Kanzlei für eine kostenlose Erstberatung. M. & D. Rechtsanwälte (...)"

Die aufsichtführende Rechtsanwaltskammer sah darin einen klaren Verstoß gegen das anwaltliche Gebührenrecht. Eine kostenlose Rechtsberatung ohne inhaltliche Qualifizierung anhand von Besonderheiten des Falls oder der den Rechtsrat suchenden Person sei unzulässig. Zur Begründung verwies die Kammer auf § 49b BRAO sowie §§ 34, 4 RVG. Der Anwaltsgerichtshof Brandenburg hob die belehrende Ermahnung der Kammer zwar wieder auf, ließ die Berufung zum BGH aber zu.

Dieser wies die Berufung der Rechtsanwaltskammer nun zurück. Die Voraussetzungen des § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO seien nicht erfüllt. Auch die Ausnahmevorschrift des § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO, nach welcher der Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen nach Erledigung des Auftrags unter bestimmten Voraussetzungen erlassen oder ermäßigen darf, greife ersichtlich nicht ein, weil die kostenlose Erstberatung vorab und unabhängig von der Bedürftigkeit des Auftraggebers angeboten wurde. Wenn für die Erstberatung im RVG keine bestimmte Gebühr vorgesehen sei, gebe es auch keine Mindestgebühr, die unter Verstoß gegen § 49b BRAO unterschritten werden könnte.

Eine Absage erteilte der Anwaltssenat des BGH auch der Auffassung der Anwaltskammer, dass die Vorschrift des § 34 Abs. 1 S. 1 RVG durch die in § 4 Abs. 1 RVG enthaltenen Regelungen dahingehend modifiziert werde, dass die vereinbarte Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko der anwaltlichen Leistung stehen müsse. § 4 RVG sei hier gar nicht anwendbar, denn er setze eine gesetzlich vorgeschriebene Gebühr voraus. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrer Position im Gesetz ergebe sich, dass der Gesetzgeber damit gänzlich andere Konstellationen gemeint habe.

Nach Auffassung des DAV ist dies eine erfreuliche Klarstellung, dass kostenlose Erstberatungen zulässig sind. Das sei bisher schon herrschende Meinung in der Literatur gewesen; die Mindermeinung, der zufolge ein vollständiger Verzicht auf Gebühren für anwaltliche Leistungen niemals angemessen und deshalb unzulässig sei, sei damit überholt. Die Anwaltschaft könne in Zukunft problemlos kostenlose Erstberatungen anbieten, was nicht-anwaltliche Rechtsdienstleister schon längst täten. Diese hätten ab sofort keinen Wettbewerbsvorteil mehr vor Anwaltskanzleien.

[Quellen: BGH/DAV]

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