Die Waffengleichheit ist auch dann gefährdet, wenn zwar nicht der Nebenkläger anwaltlich vertreten ist, dafür aber ein Mitangeklagter. Für diesen Fall gehen zahlreiche Gerichte davon aus, dass einem bislang nicht verteidigten Angeklagten zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, wenn ein Mitangeklagter einen Verteidiger hat (OLG Brandenburg NStZ-RR 2012, 50).

Die Gegenansicht, die u.a. von den OLG Köln (NStZ-RR 2012, 351) und Stuttgart (StRR 2013, 105 m. Anm. Deutscher) vertreten wird, verneint dagegen einen Grundsatz dieses Inhalts. Es sei jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die insbesondere dann zur Erforderlichkeit einer Beiordnung führen könne, wenn Mitangeklagte sich gegenseitig belasten und zu einer angemessenen Verteidigung, die Kenntnis des Akteninhalts von entscheidender Bedeutung ist (OLG Köln a.a.O.). Nicht ausreichend soll es dagegen sein, wenn einem Mitangeklagten aus rein individuellen Gründen, etwa weil ihm anders als anderen Angeklagten ein Bewährungswiderruf droht, ein Verteidiger beigeordnet wird (OLG Stuttgart a.a.O.).

Auch eine solche Einzelfallprüfung wird allerdings häufig zu dem Ergebnis führen, dass eine Beiordnung zu erfolgen hat. Jedenfalls in nicht ganz einfach gelagerten Sachverhalten verfügt ein verteidigter Angeklagter aufgrund des umfassenden Akteneinsichtsrechts seines Verteidigers und der entsprechenden anwaltlichen Beratung über eine gegenüber einem nicht verteidigten Mitangeklagten so viel bessere Verteidigungsposition, dass es zur Wahrung eines fairen Verfahrens der Beiordnung eines Verteidigers für bislang unverteidigte Angeklagte bedarf.

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