Leitsatz (amtlich)

Für den Austausch eines Pflichtverteidigers ist eine schlüssige Darstellung einer Störung des Vertrauensverhältnisses erforderlich.

Unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie stellen keinen genügenden Grund zur Auswechslung des Pflichtverteidigers dar. Der Verteidiger ist Beistand, nicht Vertreter des Beschuldigten und an dessen Weisungen nicht gebunden. Er hat das Verfahren in eigener Verantwortung und unabhängig von dem Beschuldigten zu dessen Schutz mitzugestalten.

 

Tenor

Die Beschwerden werden verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt, § 473 Abs. 1 StPO.

 

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:

"I. Gegen den Beschwerdeführer, der derzeit eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren aus einem Urteil des Landgerichts A. vom 24.03.2011 wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen in der JVA A. verbüßt, hat die Staatsanwaltschaft A. zum einen im Verfahren Js ... am 15.09.2011 Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen und Vergewaltigung in einem Fall und zum anderen im Verfahren Js ... am 18.12.2011 eine weitere Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 242 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung und in 20 Fällen in Tateinheit mit sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben.

Mit Beschluss vom 23.02.2012 hat die 5. große Strafkammer des Landgerichts A. die beiden vorbezeichneten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Anklagen zur Hauptverhandlung zugelassen .

Mit Beschluss vom 01.08.2011 hatte die Kammer dem Angeklagten in dem führenden Verfahren Js ... Rechtsanwalt D., der ihn bereits in dem Ursprungsverfahren vertreten hatte, beigeordnet .

Mit an die Kammer gerichtetem Schreiben vom 16.02.2012 hat der Angeklagte mitgeteilt, er habe das Mandatsverhältnis zu dem ihm beigeordneten Pflichtverteidiger Rechtsanwalt D. aufgrund "unüberwindlicher Differenzen" beendet und um Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. ersucht.

Die 5. Große Strafkammer hat es daraufhin mit Beschluss vom 23.02.2012 abgelehnt, die Bestellung von Rechtsanwalt D. zu widerrufen und stattdessen Rechtsanwalt L. zu bestellen.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Schreiben vom 06.03.2011 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, aus welchen Gründen er kein Vertrauen mehr in Rechtsanwalt D. setze.

Nachdem Rechtsanwalt D. hierzu mit Schreiben vom 14.03.2012 Stellung genommen hatte, hat die Kammer der Beschwerde mit Beschluss vom 16.03.2012 nicht abgeholfen .

II. Die außerhalb der Hauptverhandlung eingelegte Beschwerde ist nach § 304 StPO zulässig, soweit sie - was hier der Fall ist - von dem Angeklagten selbst im eigenen Namen eingelegt worden ist.

Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Auf die zutreffenden - durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten - Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss wird Bezug genommen. Eine nachträgliche Auswechselung des Pflichtverteidigers ist nicht veranlasst. Der im Gesetz nicht vorgesehene Widerruf der Bestellung kommt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Betracht. Ein solcher Grund, der insbesondere in einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem beigeordneten Verteidiger liegen kann, ist vorliegend nicht dargetan.

Unter Berücksichtigung der Stellungnahme von Rechtsanwalt D. sind nachvollziehbare - durchgreifende - Gründe, aufgrund derer eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Verteidiger zu bejahen wäre, auch der Beschwerdebegründung vom 06.03.2012 nicht zu entnehmen. Die Erklärung von Rechtsanwalt D., er werde gegen eine etwaige Entpflichtung keine Einwände erheben, rechtfertigt eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht."

Dem stimmt der Senat zu.

Auch das Vorbringen in dem Beschwerdeschreiben vom 2.04.2012 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Nachdem der Wahlverteidiger das Vorbringen des Angeklagten in dessen Beschwerdeschreiben vom 6.03.2012 von den Hinweisen auf die Vorteile eines Geständnisses abgesehen bestritten hat, konnte das Landgericht dieses nicht weiter überprüfbare Vorbringen nicht als richtig unterstellen. So fehlt es für die Behauptung "Mir ist auch gesagt worden dass der D. sich mal geäußert haben soll, den Anwälten der Nebenklage gegenüber, dass er an meiner Unschuld zweifelt" an der Benennung der betreffenden Person. Der Vortrag, Rechtsanwalt D. habe ihn mangelhaft beraten und ungenügend auf den Verfahrensablauf vorbereitet und seiner Bitte "einige Sachen zu überprüfen" nicht entsprochen, ist so nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Behauptung, dass die Kontaktaufnahme schleppend gewesen, auf Nachrichten die Rückantwort oft Tage später erfolgt und der Verteidiger immer sehr kurz angebunden gewesen sei. Eine soforti...

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