Wer derzeit die berufspolitische Diskussion innerhalb der Anwaltschaft verfolgt, wird den Eindruck gewinnen, dass ein Thema zunehmend an Raum gewinnt, dem bis dato eher ein "Dornröschenschlaf" beschert war. Es betrifft die allgemeine Fortbildungspflicht nach § 43a Abs. 6 BRAO, die sicherstellen soll, dass ein Rechtsanwalt sein juristisches Wissen auch nach seinem zweiten Staatsexamen auf einem aktuellen Stand hält. Die Vorschrift lautet: "Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden." Von einer weiteren Konkretisierung dieser Pflicht wie auch von einer Sanktionierung im Falle der Nichtbefolgung hat der Gesetzgeber allerdings abgesehen, weswegen die Vorschrift oft auch schon als "Papiertiger" bezeichnet wurde.

Das soll sich nun ändern. Der Bundesjustizminister hat dem Drängen der anwaltlichen Selbstvertretungsorgane nachgegeben und will die Fortbildungspflicht künftig der Satzungskompetenz der Anwaltschaft unterstellen (s.a. unten ZAP Anwaltsmagazin, S. 608). Damit dürften die Weichen in Richtung einer reglementierten und sanktionierten allgemeinen Fortbildungspflicht bereits gestellt sein, denn die Satzungsversammlungen fordern seit vielen Jahren die Regelungskompetenz auch für diesen Gegenstand, um die als konturlos empfundene Vorschrift des § 43a Abs. 6 BRAO endlich – ähnlich der Fachanwaltsweiterbildung – konkret ausgestalten zu können. Die Diskussion hierzu ist noch in vollem Gange, die bisher gemachten Vorschläge reichen von einem der Fachanwaltsweiterbildung angenäherten Konzept mit konkreten zeitlichen und thematischen Vorgaben im Hinblick auf den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen über verschiedene vermittelnde Lösungen, die dem einzelnen Anwalt eine mehr oder minder große Flexibilität im Hinblick auf die Wahl seiner Fortbildungsmittel einräumen wollen bis hin zu eher passiven Konzepten, die eine Einhaltung bzw. Verletzung der Fortbildungspflicht allenfalls über das Haftungsrecht oder über Boni bei der Berufshaftpflichtversicherung sanktionieren wollen.

Man fragt sich unwillkürlich, warum die anwaltlichen Selbstverwaltungsorgane ausgerechnet bei diesem Thema nun eine derartige Eile an den Tag legen. Dass in der letzten Zeit eine dramatische Abnahme der Bereitschaft zur Fortbildung unter den deutschen Rechtsanwälten zu beobachten wäre, ist nirgendwo behauptet worden. Im Gegenteil: Auch die Befürworter einer sanktionierten Fortbildungspflicht räumen ein, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen sich in erheblichem Umfang fortbilden. Dies belegt schon die Vielzahl der Anbieter einschlägiger Fachveranstaltungen, die es nicht gäbe, wenn die Nachfrage fehlen würde. Das Soldan Institut hat kürzlich ermittelt, dass sich Rechtsanwälte im Durchschnitt 29 Stunden pro Jahr freiwillig fortbilden und dass dies auf 90 % der Berufsgruppe zutrifft, sich also nur etwa ein Zehntel ihrer Angehörigen verweigert. Es ist fraglich, ob sich diese Quote durch Sanktionen noch wesentlich erhöhen ließe, denn jemand, der sich schon heute von Regressrisiken und fehlender Mandantenzufriedenheit nicht beeindrucken lässt, den werden wohl auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen kaum schrecken. Der Wind scheint vielmehr aus einer anderen Richtung zu kommen: Es dürfte der Druck der EU-Kommission und ihr Drängen auf eine Liberalisierung des Wettbewerbs auch bei freiberuflichen Dienstleistungen sein, die – so ist es aus der Satzungsversammlung zu vernehmen – einen "konkreten Handlungsbedarf für die Anwaltschaft" ausgelöst haben. Es drohe das Wegbrechen des anwaltlichen Beratungsmonopols, wenn man Brüssel nicht überzeugen könne, dass die Beschränkung anderer Dienstleister durch die Qualität der anwaltlichen Mandatsbearbeitung gerechtfertigt sei, so die Argumentation.

Ob dieses Kalkül aufgeht, wird erst die Zukunft zeigen. Es verleiht dem ganzen Vorhaben jedenfalls den unschönen Beigeschmack, dass die anwaltliche Fortbildung nicht um der Sache willen gefördert, sondern zu wettbewerbspolitischen Zwecken instrumentalisiert werden soll. Wie dem auch sei – die aus den maßgeblichen Gremien zu vernehmenden Stimmen lassen darauf schließen, dass die konkretisierte und sanktionierte Fortbildungspflicht für alle Rechtsanwälte schon sehr bald Realität wird. Wie sie aussehen wird, wird man wohl erst abschätzen können, wenn der zuständige Ausschuss für Aus- und Fortbildung der Satzungsversammlung einen Vorschlag vorgelegt hat. Man kann nur hoffen, dass am Ende nicht übers Ziel hinausgeschossen wird und die warnenden Stimmen aus der Praxis ernst genommen werden. Daran hat es in der bisherigen berufspolitischen Diskussion nicht gefehlt. Einige Kollegen sehen ein "Bürokratiemonster" auf die Kammern zukommen – die Überwachung der Fortbildung von mehr als 160.000 Berufsangehörigen ist in der Tat ein ganz anderes Kaliber als die bisherige Kontrolle der Weiterbildung von rund 40.000 Fachanwälten. Angemahnt wurde zu Recht auch, die zeitliche und finanzielle Belastung der in der Praxis tätigen Anwälte im Blick zu behalten. Es bedarf wohl keiner näheren Dar...

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