Nach einem übereinstimmend von Bundestag und Bundesrat eingebrachten Reformvorschlag sollte § 74 Abs. 1 BRAO um einen neuen Satz 2 ergänzt werden, wonach dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, eine Rüge mit einer Geldbuße bis zu maximal 2.000 EUR zu verhängen (BR-Drucks 431/16, 146 ff.; BT-Drucks 18/9521, S. 128 ff.). Der Rechtsanwaltskammer sollte ein weiteres Sanktionsmittel zur Verfügung gestellt werden, welches es erlaubt, aufsichtsrechtliche Verstöße in einem effizienten Verfahren zu sanktionieren. Hintergrund der geplanten Neuerung war die anwaltliche Fortbildungspflicht, die in § 43e BRAO-Entwurf vorsah, dass Rechtsanwälte, die nicht vor ihrer Zulassung bereits die entsprechende Kenntnis erworben hatten, dies innerhalb eines Jahres nach Zulassung an einer Lehrveranstaltung über das anwaltliche Berufsrecht nachholen müssen. Um die Fortbildungspflicht effektiv überwachen zu können, sollte die Möglichkeit einer Geldbuße in die BRAO aufgenommen werden (vgl. Weyland/Weyland, 11. Aufl. 2024, § 74 BRAO Rn 4a). Bei den schon bestehenden Fortbildungspflichten für Fachanwälte bestand bereits durch die Möglichkeit des Widerrufs der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nach § 43c Abs. 4 S. 2 BRAO eine effektive Überwachungs- und Sanktionsmöglichkeit, die es für die allgemeine Fortbildungspflicht – mit Ausnahme des aufwändigen und unverhältnismäßigen anwaltsgerichtlichen Verfahrens – über das Berufsrecht nicht gibt.

Die in den Reformprozess involvierte Rechtsanwaltschaft bot einen breiten Rückhalt für die geplante Geldbuße, da nur ca. 20 % der befragten Rechtsanwälte in einer repräsentativen Stichprobe die Neuerung ablehnten (Kilian, NJW 2015, 3144). Kurz vor Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens – der betreffende Gesetzesentwurf stammt vom 12.5.2017 und sollte zum 18.5.2017 in Kraft treten (BGBl 2017 I, S. 1121) – kassierte der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 21.3.2017 die vorgeschlagene Ergänzung, da die Erforderlichkeit einer Geldbuße für die ebenfalls geplante allgemeine Fortbildungspflicht vorgesehen gewesen sei, die nun aber doch nicht aufgenommen werden sollte und für eine Geldbuße für andere aufsichtsrechtliche Verstöße kein Anlass bestehe (BT-Drucks. 18/11468, S. 11).

Auch durch die BRAO-Reform zum 1.8.2022 wurde weiterhin keine konkrete Fortbildungspflicht aufgenommen. Als neue Vorschrift wurde hingegen § 59a Abs. 2 Nr. 1h) BRAO eingeführt, aufgrund derer nun Kenntnisse im Berufsrecht als allgemeine Berufspflicht durch die Satzungsversammlung geregelt werden können. Parallel wurde § 43f BRAO eingeführt, der für seit dem 1.8.2022 neu zugelassene Rechtsanwälte Kenntnis im Berufsrecht erfordert. § 43f BRAO hat folgenden Wortlaut:

Zitat

„(1) Der Rechtsanwalt hat innerhalb des ersten Jahres nach seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer Lehrveranstaltung über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilzunehmen. Die Lehrveranstaltung muss mindestens zehn Zeitstunden dauern und die wesentlichen Bereiche des anwaltlichen Berufsrechts umfassen.

(2) Die Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 besteht nicht, wenn der Rechtsanwalt vor dem 1.8.2022 erstmalig zugelassen wurde oder wenn er nachweist, dass er innerhalb von sieben Jahren vor seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer Lehrveranstaltung nach Absatz 1 teilgenommen hat.”

§ 5a BORA regelt die weiteren Details, auf welche konkreten Themen und Bereiche sich die Kenntnisse im Berufsrecht beziehen müssen. Die allgemeine Fortbildungspflicht nach § 43a Abs. 8 BRAO gilt weiterhin. Für diese gibt es jedoch nach wie vor kein effektives Sanktionsmittel für die Rechtsanwaltskammern.

ZAP F., S. 473–486

Von Dr. Sven Caspers, RiAG, München

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge