Auf Anfrage von zugelassenen Rechtsanwälten der Kammer erteilt der Vorstand Auskunft über berufsrechtliche Fragen und berät die Kammermitglieder. Der Kammervorstand hat darüber hinaus eine umfassende Überwachungsfunktion hinsichtlich der Einhaltung aller Berufspflichten durch seine Mitglieder, sodass er auch ohne konkrete Nachfrage Belehrungen erteilen kann, um bestehende oder zu erwartende Zweifel zu Berufsfragen zu beseitigen. Diese weitgehende Überwachungsfunktion beinhaltet auch die Berechtigung des Vorstands, berufswidriges Verhalten eines Rechtsanwalts zu untersagen bzw. sich zukünftig standesgemäß zu verhalten (Unterlassungs- oder Handlungsgebot, AGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 6.9.2000 – 2 AGH 23/99, NJW 2001, 1586). Im letztgenannten Fall greift die Rechtsanwaltskammer durch Verwaltungsakt in die Rechte des Kammermitglieds ein, sodass dieser Widerspruch gem. § 112a BRAO binnen Monatsfrist nach Zustellung der Klage beim Anwaltsgerichtshof erheben kann (BGH, Beschl. v. 7.11.1983 – AnwZ 21/83, NJW 1984, 1042). Gegen eine zurückweisende Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs ist nach § 112e BRAO die Berufung zum BGH zulässig, aber nur, soweit sie von einem der beiden Gerichte zugelassen wurde.

Jeder Rechtsanwalt muss sich über das Berufsrecht unterrichten lassen und kann sich daher zu keiner Zeit auf entschuldigende Unkenntnis oder einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der jederzeit bestehenden Möglichkeit, bei Unklarheiten eine Auskunft der Rechtsanwaltskammer verlangen zu können.

Gegenüber einer Rüge ist eine missbilligende Belehrung die mildere Maßnahme, da letztere zwar ein objektiv berufspflichtwidriges Verhalten feststellt, aber keinen subjektiven Schuldvorwurf erhebt. Diese missbilligende Belehrung, die teilweise auch belehrender Hinweis genannt wird, ist von der neueren Rechtsprechung des BGH anerkannt worden als ein den Rechtsanwaltskammern zustehendes Zwischeninstrumentarium zwischen Belehrung und Rüge (BGH, Beschl. v. 25.11.2002 – AnwZ (B) 41/02, BRAK-Mitt. 2003, 82; im Ergebnis ebenso BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 20.11.2007 – 1 BvR 2482/07, NJW 2008, 502). Teilweise wird vertreten, dass diese missbilligende Belehrung auch eine konkrete Schuldzuweisung enthalten dürfe (so Weyland/Weyland, 11. Aufl. 2024, § 74 BRAO Rn 12), das ist aber mit der h.M. abzulehnen, da für Schuldvorwürfe das besonders formalisierte Rügeverfahren speziell ist (Henssler/Prütting/Peitscher, 6. Aufl. 2024, § 74 BRAO Rn 18 ff.; Peitscher, Anwaltsrecht, 3. Aufl. 2021, § 34 Rn 805).

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