§ 108e StGB trägt die überschrift „Abgeordnetenbestechung”. Wenn man diese überschrift liest, erkennt man nicht, dass der Abgeordnetenbestechung geradezu Tür und Tor geöffnet werden. Nur die Bestechung ist strafbar, die das Abstimmungsverhalten eines Abgeordneten beeinflusst. Alle anderen Zuwendungen an Abgeordnete sind straffrei, wie z.B. die Provisionen für die Vermittlung von Waffengeschäften, Ankauf von Covid-19-Masken oder für Beraterverträge. Viele Abgeordnete erzielen Nebeneinkünfte, die ein Vielfaches ihrer Diäten ausmachen, obgleich oft nicht erkennbar ist, ob und inwieweit überhaupt Gegenleistungen für derartige Zuwendungen erbracht werden. Das reformierte Lobbyregister (s. dazu Lobbyregistergesetz [LobbyRG] vom 16.4.2021 [BGBl 2021 I S. 818]; am 1.12.2022 in Kraft getreten; das Lobbyregister ist abrufbar unter https://www.lobbyregister.bundestag.de/startseite) und das Bußgeld bei nicht angezeigten Zuwendungen sind ein stumpfes Schwert, da die Abgeordneten das jeweils Erlangte behalten dürfen. Nur dann, wenn Abgeordnete wie sonstige Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) behandelt werden, kann der Bestechung von Abgeordneten ein Ende gesetzt werden. Eine entsprechende Regelung gibt es bereits in österreich und in Liechtenstein, sie wird jedoch vom Bundestag peinlichst vermieden. Abgeordnete sollten daher den strengen Vorschriften der §§ 331 ff. StGB unterliegen.

Die „Maskenaffäre” hat wieder einmal gezeigt, dass es eine Vielzahl von Parlamentariern gibt, die ihr Mandat zur Generierung von Nebeneinkünften missbrauchen, die um ein Vielfaches die Diäten übersteigen. Der Vertrauensverlust in die Integrität der Parlamentarier und die daraus resultierende Politikverdrossenheit haben zu hektischen Aktivitäten im Parlament geführt. Der CSU-Parteivorsitzende hat von allen amtierenden und zukünftigen Mandatsträgern die Unterzeichnung einer Integritätserklärung verlangt. § 108e StGB soll durch eine höhere Strafandrohung verschärft werden. Es soll ein aussagekräftiges Lobbyregister eingeführt werden.

Alle diese Maßnahmen führen ins Leere, da die Sanktionen für ein Fehlverhalten banal sind: Wer trotz Unterschrift gegen die Integritätserklärung verstößt, hat als „Strafe” lediglich einen Parteiausschluss zu erwarten, bei Missachtung des Lobbyregisters droht allenfalls ein Ordnungsgeld i.H.v. 50.000 EUR. Wenn Nebeneinkünfte verschwiegen werden, ist mit einem Ordnungsruf des Bundestagspräsidenten und max. einer Geldbuße i.H. der Diäten für sechs Monate zu rechnen. Bei einer Provision i.H.v. 660.000 EUR sind diese Bußgeldzahlungen leicht zu verkraften, auch der drohende Parteiausschluss wirkt nicht präventiv, in den meisten Fällen kommen die Betroffenen dieser Maßnahme durch freiwilligen Austritt aus der Partei zuvor.

§ 108e StGB hat zwar die überschrift „Abgeordnetenbestechung”, strafbar ist jedoch nur die Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten (Stimmenkauf), ein Tatbestand der in der Praxis kaum relevant ist und in den meisten Fällen nicht zu beweisen ist. Wenn die Abgeordneten es mit ihrer Integrität wirklich ernst meinen, müssen sie sich den gleichen Regeln unterwerfen, wie andere Amtsträger. Nach §§ 331 ff. StGB wird sowohl die Zahlung als auch der Empfang von unrechtmäßigen Leistungen unter Strafe gestellt, das Erlangte kann gem. § 431 StPO eingezogen werden. Gesetzgeberisch würde es genügen, § 11 Abs. 1 Nr. 2 StPO dahingehend zu ergänzen, dass Amtsträger i.S.d. Gesetzes auch Parlamentarier sind. In österreich und in Liechtenstein ist dieser Schritt bereits vollzogen worden.

Nebeneinkünfte müssen auch weiterhin zulässig sein, unter Strafe gestellt werden müssen jedoch solche Einkünfte ohne nennenswerte Gegenleistungen, die mittelbar und unmittelbar mit dem Mandatsverhältnis in einem Kausalzusammenhang stehen.

ZAP F., S. 475–475

RA und Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Hubert W. van Buehren, Köln

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