Für viel Aufsehen hatte Ende 2019 die fast 100 Seiten umfassende Entscheidung des VIII. Zivilsenats zum Legal-Tech-Portal „wenigermiete.de” gesorgt (Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, ZAP EN-Nr. 2/2020; dazu Deckenbrock/Markworth ZAP 2020, 7, 22 f.; Deckenbrock DB 2020, 321 ff.). In ihr hatte der Senat es als „noch” von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG gedeckt angesehen, wenn das Portal auf seiner Internetseite einen „Mietpreisrechner” zur – zunächst unentgeltlichen – Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zur Verfügung stellt und im Anschluss hieran dem Mieter die Möglichkeit gibt, ihn durch Anklicken eines Buttons mit der außergerichtlichen Durchsetzung von – näher bezeichneten – Forderungen und etwaigen Feststellungsbegehren gegen den Vermieter im Zusammenhang mit der „Mietpreisbremse” – unter Vereinbarung eines Erfolgshonorars in Höhe eines Drittels der jährlichen Mietersparnis (vier Monate) sowie einer Freihaltung des Mieters von sämtlichen Kosten – zu beauftragen und in diesem Zusammenhang die genannten Ansprüche zum Zweck der Durchsetzung treuhänderisch an den Inkassodienstleister abzutreten. Zulässig sei es ferner, wenn Inkassodienstleister im Fall der Erfolglosigkeit der eigenen außergerichtlichen Rechtsdienstleistungstätigkeit einen Vertragsanwalt mit der anwaltlichen und gegebenenfalls auch gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche beauftragen, zum Abschluss eines Vergleichs jedoch grds. nur mit Zustimmung des Mieters befugt sind. Diese Rechtsprechung zur Zulässigkeit atypischer Inkassodienstleistungen hat der VIII. Senat im vergangenen Jahr mehrfach bekräftigt (Urt. v. 8.4.2020 – VIII ZR 130/19; ZAP EN-Nr. 270/2020; Urt. v. 6.5.2020 – VIII ZR 120/19; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 31/19; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 121/19; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 128/19; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 129/19). Der Senat geht sogar so weit, sie schon als „gefestigt” zu bezeichnen.

Das bedeutet aber nicht, dass sich die Anbieter anderer Legal-Tech-Geschäftsmodelle angesichts dieser Entscheidungsserie auf der sicheren Seite fühlen dürfen. Im Gegenteil haben verschiedene Instanzgerichte in der BGH-Rechtsprechung gerade keinen Freifahrtschein gesehen. So hat das LG München I (Urt. vom 7.2.2020 – 37 O 18934/17) im Rahmen eines Schadensersatzprozesses zum sog. Lkw-Kartell erfolgte Abtretungen wegen Verstoßes gegen § 3 RDG als nichtig angesehen. Das Angebot der Klägerin sei von vornherein ausschließlich auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche gerichtet und sei damit als unzulässige Beteiligung an einer Sammelklage zu werten (ebenso LG Hannover, Urt. v. 4.5.2020 – 18 O 50/16; LG Augsburg, Urt. v. 27.10.2020 – 11 O 3715/18 sowie aus der Literatur etwa Henssler AnwBl Online 2020, 168, 169 ff.; Prütting ZIP 2020, 1434, 1438 f.). Zudem soll die Einziehung von Schadensersatzforderungen von Schweizer Dieselkäufern gegenüber VW, die schweizerischem Recht unterliegen, eine schwerwiegende Überschreitung der Befugnis für Inkassodienstleistungen begründen und zur Nichtigkeit der Abtretung nach § 3 RDG führen (LG Braunschweig, Urt. v. 30.4.2020 – 11 O 3092/19). Schließlich soll nach einem Urteil des LG Ingolstadt (v. 7.8.2020 – 41 O 1745/18) ein Interessenkonflikt i.S.d. § 4 RDG vorliegen, wenn im Fall eines Vergleichswiderrufs eines Käufers dessen gesamte Rechtsverfolgung für diesen nicht mehr kostenfrei ist. Unzulässige Interessenkollisionen sollen auch gegeben sein, wenn einem eingeschalteten Prozessfinanzierer zu weitgehende Einflussrechte im Verhältnis zum Inkassodienstleister zugestanden werden oder der Inkassodienstleister die Möglichkeit erhält, bei einem Vergleichsschluss heterogene, also nicht gleichermaßen aussichtsreiche Forderungen der Geschädigten zu bündeln (LG München I, Urt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17).

In der Diskussion um die Zulässigkeit von Legal-Tech-Inkasso ist der Ruf nach dem Gesetzgeber zuletzt immer lauter geworden. Beklagt werden v.a. die ungleichen Rahmenbedingungen für Inkassodienstleister, die berufsrechtlich vergleichsweise schwach reguliert sind, und für Rechtsanwälte, die ein detailliertes Berufspflichtenprogramm, auch in vergütungsrechtlicher Hinsicht, kennen. Das BMJV möchte dieses Ungleichgewicht nun durch das geplante Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt abmildern. Der im November 2020 vorgestellte Referentenentwurf (dazu Römermann AnwBl Online 2020, 588, 605 ff.) soll es Rechtsanwälten ermöglichen, in größerem Umfang (bis zu einem Gegenstandswert von 2.000 EUR) Erfolgshonorare zu vereinbaren und Verfahrenskosten zu übernehmen.

Würden die Vorschläge des BMJV Gesetz, so würde dies aber zugleich bedeuten, dass an der grundsätzlichen Zulässigkeit von Legal-Tech-Inkasso künftig keine Zweifel mehr bestehen (kritisch BRAK-Stellungnahme Nr. 81/2020 S 4 ff.). Jedenfalls ist es das erklärte Ziel des Entwurfs, bestehende Rechtsunsicherheiten bei den verschiedenen Geschäftsmodellen – unter gleichzeitiger Erhöhung der Transpa...

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