Nicht nur die Anwaltschaft muss sich schrittweise an den elektronischen Rechtsverkehr gewöhnen. Auch die Richterschaft und die Justizverwaltung durchlaufen einen Umstellungsprozess, bei dem auch einmal etwas schiefgehen kann. Auf einen dieser Fälle, bei dem ein bayerisches Gericht "Lehrgeld" zu bezahlen hatte, hat kürzlich die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hingewiesen.

Das OLG München hatte über eine Berufung gegen ein Urteil des LG Landshut zu entscheiden. Was man dabei wissen muss: Das Landgericht ist das erste von mehreren Pilotgerichten in der bayerischen Zivilgerichtsbarkeit und hat bereits seit Oktober 2016 vollständig auf die elektronische Akte als führende Akte umgestellt. Seitdem arbeitete es an sich sehr erfolgreich damit.

Kurz nach der Umstellung auf die elektronische Akte fand am im November 2016 eine mündliche Verhandlung statt, in der ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt wurde. Dieser wurde letztlich auf den 13.1.2017 verlegt. Das dem OLG vorliegende und beim Ausdruck der elektronischen Akte in dieser befindliche Verkündungsprotokoll vom 13.1.2017 über die Verkündung eines Endurteils war jedoch nicht signiert. Das klageabweisende Urteil selbst war allerdings in einer Fassung ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe am 13.1.2017 und in vollständiger Form am 15.9.2017 vom Vorsitzenden signiert worden.

Das OLG stellte fest, dass das angefochtene Urteil nicht wirksam verkündet wurde. Das Verkündungsprotokoll vom 13.1.2017 sei nämlich entgegen den Formvorschriften der § 163 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 130b ZPO nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur anstelle der Unterschrift versehen gewesen. Mangels Protokollierung fehle es damit an einer wirksamen Verkündung des Urteils. Die erforderliche Signatur sei auch nicht innerhalb der Fünf-Monats-Frist des § 517 ZPO nachgeholt worden.

Da das LG das Verfahren somit noch nicht zum Abschluss gebracht hatte, konnte auch das OLG noch keine Entscheidung treffen. Es musste sich darauf beschränken, die – so wörtlich – "(Noch-)Nichtexistenz" des Urteils klarzustellen und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zwecks Beendigung des Verfahrens zurückzuverweisen. Die BRAK kommentierte den Fall wie folgt: Wie man sehe, habe auch die elektronische Aktenbearbeitung bei Gericht zu Beginn so ihre Tücken.

[Quelle: BRAK]

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