1. Überblick

Auch ein im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Anwalt erhält seine Reisekosten erstattet. Nach § 46 RVG hat die Landeskasse die zur Durchführung der Angelegenheit erforderlichen Auslagen des Anwalts zu übernehmen. Dazu zählen insbesondere auch die Reisekosten des beigeordneten Anwalts (§ 46 Abs. 1 RVG). Der Anwalt hat hier sogar die Möglichkeit, mit für die Festsetzung bindender Wirkung vorab feststellen zu lassen, dass seine Reise erforderlich ist (§ 46 Abs. 2 RVG).

 

Hinweis:

Der Umfang der aus der Landeskasse zu übernehmenden Reisekosten hängt vom Umfang der Beiordnung ab.

2. Kanzlei innerhalb des Gerichtsbezirks

Hat der Anwalt seine Kanzlei an einem anderen Ort als dem, an dem sich das Gericht befindet, allerdings noch innerhalb des Gerichtsbezirks, ist eine eingeschränkte Beiordnung nach dem Gesetz nicht zulässig (st. Rspr. seit OLG Oldenburg AGS 2006, 110 m. Anm. N. Schneider = OLGR 2006, 189 = NJW 2006, 851 = FamRZ 2006, 629 = JurBüro 2006, 320 = MDR 2006, 777 = AnwBl 2006, 219 = ZFE 2006, 117 = FamRB 2006, 78 = RVGprof. 2006, 63 = FuR 2006, 326). Ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt darf nicht eingeschränkt beigeordnet werden. Weder die ZPO noch das FamFG erlauben in einem solchen Fall eine einschränkende Beiordnung. Der Anwalt ist vielmehr uneingeschränkt beizuordnen.

Der Anwalt erhält in diesem Fall daher seine Reisekosten in voller Höhe aus der Landeskasse.

 

Beispiel:

Der Anwalt hat seine Kanzlei in Kaarst und wird vor dem AG Neuss tätig. Ein Verkehrsanwalt ist nicht erforderlich.

Da Kaarst im Bezirk des AG Neuss liegt, muss der Anwalt uneingeschränkt beigeordnet werden. Er erhält seine Reisekosten aus der Landeskasse.

Von der Landeskasse zu übernehmen sind sämtliche Reisekosten, also nicht nur die Fahrtkosten mit dem Pkw (Nr. 7003 VV RVG) oder einem angemessenen öffentlichen Verkehrsmittel (Nr. 7004 VV RVG), sondern auch das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG sowie sonstige Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise, soweit sie angemessen sind (Nr. 7006 VV RVG), insbesondere Parkgebühren.

3. Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks

a) Überblick

Ist der Anwalt nicht im Gerichtsbezirk ansässig, kommt eine Beschränkung in Betracht, da nach § 121 Abs. 3 ZPO, § 78 Abs. 3 FamFG ein nicht in dem Bezirk des Prozess- oder Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden soll, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Bei der Feststellung der "besonderen Kosten", also der Mehrkosten gegenüber einem Anwalt aus dem Gerichtsbezirk ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Partei oder der Beteiligte neben einem Anwalt aus dem Gerichtsbezirk auch einen Anspruch nach § 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG auf Beiordnung eines weiteren Anwalts "zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten" (Verkehrsanwalt) hat.

b) Kein Anspruch auf Verkehrsanwalt

aa) Grundsatz

Ist die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nicht notwendig, hat also die bedürftige Partei bzw. der bedürftige Beteiligte keinen Anspruch darauf, dass neben dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten auch ein Verkehrsanwalt beigeordnet wird, dann darf der auswärtige Anwalt nicht ohne Weiteres beigeordnet werden, wenn durch seine Beiordnung Mehrkosten gegenüber einem Anwalt aus dem Gerichtsbezirk entstehen würden (§ 121 Abs. 3 ZPO, § 78 Abs. 3 FamFG).

 

Hinweis:

Zutreffenderweise ist bereits im Bewilligungsverfahren zu prüfen, ob solche Mehrkosten überhaupt anfallen. Zum Teil überlassen die Gerichte dies aber dem Urkundsbeamten im späteren Festsetzungsverfahren.

bb) Beiordnung verursacht Mehrkosten

Würde die Beiordnung eines Anwalts außerhalb des Gerichtsbezirks gegenüber einem Anwalt aus dem Gerichtsbezirk Mehrkosten auslösen, dürfte dieser Anwalt eigentlich gar nicht beigeordnet werden.

Die Praxis verfährt jedoch so, dass sie den Anwalt dennoch beiordnet, allerdings eingeschränkt, und damit die Mehrkosten ausschließt. Hierzu ist allerdings das Einverständnis des Anwalts erforderlich, das sich auch konkludent aus dem Beiordnungsantrag ergeben kann. In diesem Fall darf die Einschränkung aber nur dahingehend lauten, dass der Anwalt "zu den Bedingungen des im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet" wird.

Eine Beschränkung dahingehend, dass der Anwalt "zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Anwalts" beigeordnet wird, ist nicht zulässig:

 

Rechtsprechungshinweise:

Weder die ZPO noch das FamFG kennen einen gerichtsansässigen Anwalt, sondern unterscheiden nur zwischen dem Anwalt im Gerichtsbezirk und dem Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks (s. § 121 Abs. 3 ZPO, § 78 Abs. 3...

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