Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts. Umfang der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Reisekosten des im Rahmen der PKH-Bewilligung beigeordneten Rechtsanwalts sind regelmäßig auf die Kosten zu beschränken, die einem im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt entstehen würden. Dabei ist auf die weiteste Entfernung zwischen dem Gerichtssitz und der Grenze des Gerichtsbezirks abzustellen.

 

Normenkette

ArbGG § 11a Abs. 3; ZPO § 121 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 02.03.2009; Aktenzeichen 7 Ca 62/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 02. März 2009 – 7 Ca 62/09 – betreffend den Passus

„Die Beiordnung erfolgt unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Bezirk des Prozessgerichts.”

aufgehoben.

Das Arbeitsgericht wird über eine etwaige Beschränkung der Beiordnung erneut zu befinden haben.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, wohnhaft in A., klagt gegen seine ehemalige Arbeitgeberin auf Zahlung von 13.750,00 Euro brutto.

Sein Prozessbevollmächtigter hat seinen Kanzleisitz ebenfalls in A..

Auf seinen Antrag hin ist dem Kläger mit Beschluss des Arbeitsgerichts Prozesskostenhilfe ohne eigene Beiträge bewilligt worden, jedoch mit der Einschränkung:

„Die Beiordnung erfolgt unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Bezirk des Prozessgerichts.”

Gegen diese Einschränkung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, auf die für die Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird (Blatt (B) 11 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts, nämlich betreffend die Einschränkung bezüglich der Anwaltsbeiordnung, und insoweit zur Zurückverweisung an das Arbeitsgericht (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Auch aus Sicht der Beschwerdekammer ist es zwar zutreffend, aus § 11 a Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 121 Abs. 3 ZPO mit dem Arbeitsgericht abzuleiten, dass jedenfalls für den Regelfall die Reisekosten eines Rechtsanwalts auf die Kosten zu beschränken sind, die einem im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt entstehen würden (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 11 a Rz. 95; Bader, in: Bader/Creutzfeldt/Friedrich, ArbGG, 5. Aufl., § 11 a Rz. 42).

Der Ausschluss der Reisekosten für die Fahrt vom Ort der Kanzlei zum Bezirk des Prozessgerichts im angefochtenen Beschluss wird dem jedoch nicht gerecht. Ein derartiger Ausschluss führt dazu, dass die Erstattung der Reisekosten nicht im Gerichtsbezirk ansässiger Rechtsanwälte von Zufälligkeiten abhängig ist. Bei insoweit gleicher Länge der Fahrstrecke vom Kanzleisitz zum Sitz des Gerichts hängt dann die Höhe der Erstattungsfähigkeit davon ab, ob auf der konkreten Fahrstrecke die Grenze des Gerichtsbezirks nahe dem Gerichtssitz liegt oder nicht. Eine derartige Handhabung widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

Daher ist für den Umfang der Erstattungsfähigkeit abzustellen darauf, welche Reisekosten einem im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt maximal entstehen können, also auf die weiteste Entfernung zwischen dem Gerichtssitz und der Grenze des Gerichtsbezirks. Diese Reisekosten sind dann ins Verhältnis zu setzen zu den tatsächlich entstandenen Reisekosten, und eine Beschränkung der Erstattung greift nur dann, wenn die tatsächlichen Reisekosten die maximalen Reisekosten im Gerichtsbezirk übersteigen.

Das Arbeitsgericht wird dementsprechend neu zu entscheiden haben (§ 572 Abs. 3 ZPO). Wenn es völlig klar ist, dass nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen die vollen Reisekosten zu erstatten sind, hat eine Beschränkung insoweit zu entfallen. Ansonsten wird die Beschränkung eine den dargestellten Grundsätzen entsprechende abstrakte Formulierung zu enthalten haben, und die konkrete Vergleichsberechnung erfolgt dann im Rahmen der Abrechnung der zu erstattenden Reisekosten.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2327570

AGS 2010, 299

NJW-Spezial 2010, 380

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