aa) Regelfälle

Der Tatbestand des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots kann bei sog. notstandsähnlichen Situationen entfallen. Der bloße Umstand eines plötzlich auftretenden Harndrangs bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, weil der Betroffene schneller zu einer Toilette gelangen wollte, kann nur in Ausnahmefällen geeignet sein, um von der Anordnung eines Regelfahrverbots abzusehen. Dagegen sprechen ein Verstoß in einer Innenstadt und fehlende Feststellungen dazu, warum der Betroffene nicht an einem anderen Ort, den er mit angemessener Geschwindigkeit hätte erreichen können, seine Notdurft verrichtet hat (OLG Brandenburg NZV 2020, 106 m. Anm. Kerkmann).

bb) Nicht-Regelfälle

Ist für einen Fahrstreifen einer mehrspurigen Autobahn nach § 37 Abs. 3 S. 2 StVO durch ein Dauerlichtzeichen "rote gekreuzte Schrägbalken" ein Fahrstreifenbenutzungsverbot angeordnet worden, gelten für diesen Abschnitt nicht die auf benachbarten Fahrspuren oder auf dem zuvor freigegebenen Abschnitt mit dem Verkehrszeichen 274 der Anlage 2 zur StVO angeordneten Beschränkungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit kann jedoch bei der Bemessung der Rechtsfolge berücksichtigt werden und eine Sanktionierung oberhalb von der Regelahndung nach der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV sowie die Verhängung eines Fahrverbots außerhalb vom Regelfahrverbot nach § 4 BKatV rechtfertigen (OLG Celle DAR 2019, 689 m. Anm. Krenberger = NZV 2020, 155 m. Anm. Balschun). Das BayObLG bewertet einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO (verbotene Nutzung elektronischer Geräte) in einer Reihe mit anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Unterschreitungen des Mindestabstands. Die regelmäßig vorsätzliche Verwirklichung des Bußgeldtatbestands soll daher bei entsprechender Vorahndungslage auch dann, wenn die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots nach Nr. 246.2 und 246.3 BKat (bei Gefährdung oder Sachbeschädigung) nicht gegeben sind, die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls der Beharrlichkeit nahelegen; nicht erforderlich sei, dass der Betroffene bereits wegen eines einschlägigen Verstoßes vorgeahndet ist (DAR 2019, 630 = zfs 2019, 588 m. Anm. Krenberger = VRR 9/2019, 22 m. abl. Anm. Deutscher; bekräftigt in zfs 2020, 172).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge