Literaturhinweis:

Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 1461 ff., 1721 ff. Zur Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots im Jahr 2016 s. Deutscher NZV 2017, 112.

a) Tatbestand

Ein Augenblicksversagen kann nach den Vorgaben des BGH (BGHSt 43, 241 = NZV 1997, 525) zum Wegfall der Tatbestandswirkung des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots führen. Ein im nahen örtlichen Zusammenhang mit dem Ortsschild aufgestelltes Verkehrsschild, durch welches die zulässige Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt wird, kann aufgrund eines Augenblickversagens leicht übersehen werden. Dies ist lediglich eine momentane Unaufmerksamkeit und keine grobe Pflichtwidrigkeit, die die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigt. Eine Erhöhung der Regelgeldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV ist dann nicht angezeigt, weil das bei Augenblicksversagen nicht in Betracht kommt (OLG Naumburg zfs 2016, 594 m. Anm. Krenberger).

Ein vermeidbarer Verbotsirrtum durch fehlerhafte Bewertung eines Zusatzschildes führt nicht zwangsläufig zum Wegfall des an sich verwirkten Regelfahrverbots. Vielmehr kommt dies nur in Ausnahmefällen in Betracht, wobei auf den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Rechtsgedanken des Augenblicksversagens zurückgegriffen werden kann (OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.2017 – 3 Ss OWi 50/17).

b) Erforderlichkeit

Ein mündlich von Polizeibeamten vor Ort ausgesprochenes Fahrverbot ist unwirksam, kann aber dennoch die Erforderlichkeit der Anordnung des Fahrverbots durch das Gericht entfallen lassen, wenn naheliegt, dass sich der Betroffene an das "mündliche Fahrverbot" gehalten hat (OLG Zweibrücken zfs 2016, 411; vgl. auch OLG Düsseldorf DAR 2017, 92 = NZV 2017, 54 [Sandherr]).

c) Angemessenheit

Bei abhängig Beschäftigten ist die Anordnung eines Fahrverbots unangemessen, wenn dies zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde und die drohende Existenzgefährdung nicht durch anderweitige, zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, etwa durch Verbüßung während des Urlaubs unter Berücksichtigung des bis zu viermonatigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG, Beschaffung eines Ersatzfahrers oder die Kombination mehrerer Abwendungsmöglichkeiten (KG NZV 2016, 535). Das KG (a.a.O.) nimmt das auch bei einem angestellten Taxifahrer an, der nur einen zweiwöchigen Urlaub erhält. Dem Betroffenen soll es auch zumutbar sein, sich gegen eine im Fall des Fahrverbots angedrohte, offenkundig unberechtigte arbeitsrechtliche Kündigung gerichtlich zu wehren (AG Tiergarten zfs 2016, 533 m. Anm. Krenberger). Ein Absehen ist ausgeschlossen bei einer Betroffenen mit zwei ausgeübten Berufen bei einem monatlichen Familiennettoeinkommen von rund 5.000 EUR, wenn weder Existenzgefährdung noch Arbeitsplatzverlust konkret drohen (AG Lüdinghausen NZV 2016, 537).

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