Rdn 4360

1. Die StPO regelt Zwischenberatungen des Gerichts nicht (ausdrücklich). Diese können jedoch für den Angeklagten und seinen Verteidiger besondere Bedeutung haben. Häufig wird nämlich vom Gericht in einer Sitzungspause zwischenberaten und es wird den Prozessbeteiligten nach Wiederbeginn der HV das Ergebnis der Zwischenberatung mitgeteilt. Daraus kann der Verteidiger Schlüsse über die Prozesslage ziehen, die ihn möglicherweise veranlassen können, die Verteidigungsstrategie zu ändern, indem er z.B. einem bestreitenden Angeklagten rät, die Tat einzuräumen, um dadurch Vorteile bei der Strafzumessung zu erlangen.

 

☆ In § 257b ist ausdrücklich vorgesehen, dass das Gericht den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern kann (→  Erörterungen des Standes des Verfahrens , Teil E Rdn  1827 ; zur Pflicht des Gerichts, vor einer Absprache/Verständigung allen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, BGHSt 38, 102 [zum alten Recht]; →  Absprachen/Verständigung, Allgemeines , Teil A Rdn  193 m.w.N.).Erörterungen des Standes des Verfahrens, Teil E Rdn 1827; zur Pflicht des Gerichts, vor einer Absprache/Verständigung allen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, BGHSt 38, 102 [zum alten Recht]; → Absprachen/Verständigung, Allgemeines, Teil A Rdn 193 m.w.N.).

Der Angeklagte hat nach der Rspr. des BGH aber keinen Anspruch auf einen "Zwischenbescheid" (vgl. BGH NStZ 2007, 719; zust. BVerfG, Beschl. v. 18.3.2009 – 2 BvR 2025/07; s.a. noch BGH NStZ 2014, 221 und dazu die Entscheidung des BVerfG NJW 2015, 1535; KG StV 2013, 491); auch durch Antrag oder Erklärung der Prozessbeteiligten kann es dazu grds. nicht gezwungen werden (KG, a.a.O.). Daran hat sich durch die Neuregelung in § 265 Abs. 2 Nr. 2 durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" nichts geändert (BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – 5 StR 65/18, NStZ 2019, 239 m. Anm. Burhoff StRR 7/2018, 13; → Hinweis auf veränderte Sach-/Rechtslage, Teil H Rdn 2099 ff.; s. aber Teil Z Rdn 4362).

 

Rdn 4361

Zwischenberatungen dürfen nicht dazu führen, den Verteidiger zu überfahren. Dem sollte dieser dadurch begegnen, dass er, wenn das Gericht eine Sitzungspause anordnet, nachfragt, ob eine Zwischenberatung beabsichtigt sei und für diesen Fall eine Stellungnahme ankündigt.

 

Rdn 4362

2. Das Ergebnis einer Zwischenberatung kann dazu führen, dass das Gericht dem Angeklagten einen → Hinweis auf veränderte Sach-/Rechtslage, Teil H Rdn 2099, geben muss. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Gericht aus eigenem prozessualen Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, den der Angeklagte seinem prozessualen Verhalten zugrunde legt. Will das Gericht davon nun abweichen, gebietet es der Grundsatz des "fair-trial", dem Angeklagten einen entsprechenden Hinweis zu erteilen (wegen Rspr.-Beispielen → Hinweis auf veränderte Sach-/Rechtslage, Teil H Rdn 2099 ff.).

Siehe auch: → Urteilsberatung, Teil U Rdn 3215.

[Autor] Burhoff

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