Leitsatz

Die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf Auszahlung des genossenschaftlichen Auseinandersetzungsguthabens stellt nicht deshalb eine unzumutbare Härte i. S. des § 765a ZPO dar, weil sie mittelbar zum Verlust der genossenschaftlichen Wohnungsrechte des Schuldners geführt hat und die Möglichkeit besteht, dass er seine derzeitige Wohnung verliert.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

ZPO § 765a; GenG § 66

 

Kommentar

Zwischen einer Wohnungsgenossenschaft und einem Mieter besteht ein Dauernutzungsvertrag über eine 2-Zimmer-Wohnung. Vor Abschluss des Vertrags hatte der Mieter die zur Zuteilung der Wohnung erforderlichen Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt 750 EUR eingezahlt. Der Mieter ist verschuldet; im Juni 2006 hat er die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Eine Gläubigerin des Mieters hat wegen Forderungen in Höhe von ca. 1.370 EUR einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, der u.a. den "Auszahlungsanspruch des Schuldners bei Auseinandersetzung mit der Genossenschaft" erfasst. Im März 2007 hat die Gläubigerin die Mitgliedschaft des Mieters bei der Genossenschaft gekündigt. Der Mieter hat beantragt, ihm Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu gewähren und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben.

Der Antrag des Mieters hatte keinen Erfolg:

1 Kündigung der Mitgliedschaft durch Gläubiger

Jedes Mitglied einer Genossenschaft hat das Recht, seine Mitgliedschaft durch Kündigung zu beenden (§ 65 Abs. 1 GenG). Der Gläubiger eines Genossenschaftsmitglieds kann das Kündigungsrecht an dessen Stelle ausüben, wenn er einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend das Geschäftsguthaben erwirkt hat und eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Mitglieds innerhalb der letzten sechs Monate fruchtlos verlaufen ist (§ 66 Abs. 1 GenG). Diese Voraussetzungen waren gegeben.

2 Kündigung der Genossenschaftswohnung

Das Ausscheiden des Mitglieds aus der Genossenschaft kann den Verlust der Wohnung zur Folge haben: Nach allgemeiner Ansicht ist der sog. Dauernutzungsvertrag der Wohnungsgenossenschaften als Mietvertrag zu bewerten. Für die ordentliche Kündigung eines solchen Vertrags müssen demnach die für die Wohnungsmiete maßgeblichen Vorschriften beachtet werden. Nach § 573 Abs. 1 BGB kann ein Wohnraummietverhältnis unter anderem auch dann gekündigt werden, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.

Hierzu hat der BGH entschieden, dass eine Genossenschaftswohnung nach dieser Vorschrift jedenfalls dann gekündigt werden kann, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind:

  1. Zum einen muss die Mitgliedschaft in der Genossenschaft beendet sein.
  2. Zum anderen ist erforderlich, dass die Wohnung für die Versorgung eines anderen Mitglieds benötigt wird (BGH, Urteil v. 10.9.2003, VIII ZR 22/03, WuM 2003 S. 691).
Wichtig

Ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Mitgliedschaft durch einen Gläubiger des Mieters gekündigt wird, hat der BGH allerdings noch nicht entschieden.

3 Kein vollstreckungsschutz der Genossenschaftsmieters

Einem Mieter kann Vollstreckungsschutz gewährt werden, wenn der Mieter durch eine gerichtliche Maßnahme seine Wohnung verliert und dieser Umstand eine Härte darstellt, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist (§ 765a ZPO). Dies gilt insbesondere für die Zwangsräumung einer Wohnung (grundlegend: BGH, Beschluss v. 4.5.2005, I ZB 10/05, WuM 2005 S. 407; st. Rspr., vgl. zuletzt: BGH, Beschluss v. 13.8.2009, I ZB 11/09, WuM 2009 S. 678). Hier war zu entscheiden, ob es für die Anwendung des § 765a ZPO genügt, wenn der Mietbesitz gefährdet ist, weil der Vermieter das Mietverhältnis infolge der Vollstreckungsmaßnahme kündigen kann. Dies wird vom BGH verneint. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Vollstreckungsmaßnahme unmittelbar in die Rechte des Mieters eingreift. In Fällen dieser Art ist das nicht der Fall.

Anmerkung

Vgl. dazu auch das Urteil des BGH vom 19.3.2009 (IX ZR 58/08, WuM 2009 S. 302): Danach kann der Insolvenzverwalter des Mieters dessen Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen, um zu erreichen, dass das Geschäftsguthaben den Gläubigern des Mieters zur Verfügung steht.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 01.10.2009, VII ZB 41/08BGH, Beschluss v. 1.10.2009, VII ZB 41/08, WuM 2009 S. 752

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