Leitsatz

Werden Hörfunk- und Fernsehsendungen nach Empfang der Satellitensignale von der Kopfstation der Gemeinschaftsantenne mit Hilfe des Kabelnetzes leitungsgebunden an die angeschlossenen Empfangsgeräte der Wohnungseigentümer gesendet, handelt es sich nicht um eine zustimmungspflichtige öffentliche Wiedergabe. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit 343 Wohnungseigentümern handelt.

 

Normenkette

Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 29/2001/EG; §§ 15 Abs. 3, 20, 20b Abs. 1 UrhG

 

Das Problem

  1. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) verlangt von einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer namens "B" wegen behaupteter unberechtigter Nutzung eines Kabelweitersendungsrechts seit dem Januar 2007 jährlich 1.078,39 EUR.
  2. Die GEMA meint, B betreibe eine von ihr eingerichtete Kopfstation, mit der sie die von ihr empfangenen Fernseh- und Rundfunksignale an insgesamt 343 Wohneinheiten i.S.v. §§ 20, 20b UrhG sende. Hierbei handele es sich um eine vergütungspflichtige, i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG öffentliche Kabelweitersendung. Die Wohnungseigentümer seien nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden. Bloße gemeinsame oder gleichgerichtete Interessen, geschäftliche Beziehungen oder technische Verbindungen genügten nicht, um ein solches persönliches Band zu begründen.

    § 15 UrhG (Allgemeines)

    […]

    (2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

    […]

    3. das Senderecht (§ 20),

    […]

    (3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

    § 20 UrhG (Senderecht)

    Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

    § 20b UrhG (Kabelweitersendung)

    (1) Das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiter übertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden (Kabelweitersendung), kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für Rechte, die ein Sendeunternehmen in Bezug auf seine Sendungen geltend macht.

    (2) Hat der Urheber das Recht der Kabelweitersendung einem Sendeunternehmen oder einem Tonträger- oder Filmhersteller eingeräumt, so hat das Kabelunternehmen gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die Kabelweitersendung zu zahlen. Auf den Vergütungsanspruch kann nicht verzichtet werden. Er kann im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten und nur durch eine solche geltend gemacht werden. Diese Regelung steht Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und gemeinsamen Vergütungsregeln von Sendeunternehmen nicht entgegen, soweit dadurch dem Urheber eine angemessene Vergütung für jede Kabelweitersendung eingeräumt wird.

  3. LG München I v. 20.2.2013, 21 O 16054/12, dessen Entscheidung ich bereits zustimmend dargestellt habe, weist die Klage ab. Dagegen richtet sich die Berufung der GEMA.
 

Die Entscheidung

  1. Die Berufung hat keinen Erfolg! Das LG habe zu Recht angenommen, dass B das Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Urhebern bzw. Leistungsschutzberechtigten nicht verletzt, sodass ein Schadensersatzanspruch bzw. ein Bereicherungsanspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehe.
  2. Gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG habe der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Zu den beispielhaft aufgezählten besonderen Wiedergabearten in § 15 Abs. 2 UrhG gehöre auch das Senderecht (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, 20 UrhG). Dem Senderecht unterfielen der sogenannte terrestrische Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) sowie die an die Öffentlichkeit gerichtete Sendung über Kabel oder über Satellit. Durch Kabelfunk werde ein Werk Empfängern zugänglich gemacht, wenn es in Form von Funksignalen von einer Sendestelle aus leitungsgebunden einer Mehrzahl von Empfangsanlagen übermittelt werde, durch die das Werk wieder für die menschlichen Sinne wahrnehmbar gemacht werden könne (Hinweis auf BGH v. 4.6.1987, I ZR 117/85, GRUR 1988 S. 206 – Kabelfernsehen II). B versorge die an ein Kabelnetz angeschlossenen 343 Haushalte der Wohnungseigentümer mit Fernseh- und Hörprogrammen. Die Hörfunk- und Fernsehsendungen würden nach Empfang der Satellitensignale von der Kopfstation der Gemeinschaftsantenne mithilfe des Kabelnetzes leitungsgebunden an die angeschlossenen Empfangsgeräte der 343 Wohnungseigentümer gesendet. Diese Weiterleitung, für die die Wohnungseigentümer neben den Kosten des Kabelnetzes in Gestalt einer Umlage nichts zahlen müssten, stellt keine zustimmungspfl...

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