Zunächst einmal steht es den Wohnungseigentümern völlig frei, auch ab dem 1. Dezember 2022 einen Verwalter zu bestellen, der nicht zertifiziert ist. Allerdings würde der Bestellungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Etwas anderes würde nur im Fall der Wiederbestellung des Verwalters gelten, der bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WEMoG als Verwalter bestellt war, da dieser ja bis 1. Juni 2024 den Wohnungseigentümern gegenüber als zertifizierter Verwalter gilt – bis zu diesem Zeitpunkt sollte allerdings auch er sich um seine Zertifizierung bemühen. Steht jedoch eine Verwalterneubestellung an, ist nicht vorgenannter Zeitpunkt maßgeblich, sondern der 1. Dezember 2022.

Würde also ab diesem Zeitpunkt ein nicht zertifizierter Verwalter bestellt werden, wäre der Beschluss auf Anfechtungsklage hin für ungültig zu erklären. Der Beschluss wäre nicht nichtig, weshalb auch der nicht zertifizierte Verwalter im Fall der Bestandskraft des Beschlusses nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 45 WEG n. F. durchatmen könnte. Selbstverständlich kann aber auch er, wie jeder zertifizierte Verwalter, gemäß § 26 Abs. 3 WEG n. F. jederzeit grundlos von seinem Amt abberufen werden. Bekanntlich bedarf es hierfür aber eines Mehrheitsbeschlusses der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Da die Bestellung eines zertifizierten Verwalters eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung darstellt, stellt sich die praxisrelevante Frage, ob ggf. ein einzelner Wohnungseigentümer die Bestellung eines zertifizierten Verwalters verlangen kann.

 
Praxis-Beispiel

Verwalterbestellung ab 1.1.2021

Die Wohnungseigentümer bestellen mit Wirkung vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2024 einen neuen Verwalter. Es handelt sich um ein renommiertes Verwalterunternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung und besten Referenzen. Unterstellt, das WEMoG tritt am 1. Dezember 2020 in Kraft, kommt dieses Unternehmen nicht in den Genuss der Privilegierung des § 48 Abs. 4 Satz 2 WEG n. F.

Der Verwalter lädt mit Schreiben vom 12. April 2023 zur Eigentümerversammlung am 14. Mai 2023. Am 16. April 2023 geht ihm die E-Mail eines Wohnungseigentümers zu, der eine Ergänzung der Tagesordnung um die Punkte "Abberufung des Verwalters" und "Bestellung eines zertifizierten Verwalters" begehrt. Der Verwalter kommt diesem Begehren nach. In der Versammlung werden beide Beschlüsse mit großer Mehrheit abgelehnt, da die Verwaltung durchweg problemlos und vertrauensvoll erfolgt. Der Wohnungseigentümer erhebt Anfechtungsklage, verbunden mit einer Klage auf Beschlussersetzung.

Grundsätzlich kann jeder einzelne Wohnungseigentümer bislang gemäß § 21 Abs. 4 WEG a. F. "eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht".

Die hiermit korrespondierende Norm findet sich künftig in § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG n. F. Danach kann "jeder Wohnungseigentümer ... von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung) und, soweit solche bestehen, den gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen entsprechen." Zwar sprachlich modifiziert, aber inhaltlich unverändert, wird maßgeblich auf das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen abgestellt. Der Klammerzusatz konkretisiert zwar den Wortlaut von § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG n. F., hiermit sollen aber keine Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage verbunden sein.[1]

Im Rahmen seiner Entscheidung wird das Gericht prüfen müssen, ob das Ermessen der Wohnungseigentümer derart auf Null reduziert war, dass nur die Bestellung eines zertifizierten Verwalters ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Mit Blick auf die übrigen Regelbeispiele stehen sich in der Literatur insoweit 2 Lager gegenüber. Das eine bejaht die Ermessensreduzierung[2], das andere nicht.[3] Der BGH[4] hatte sich mit dieser Problematik lediglich im Rahmen der Frage auseinanderzusetzen, ob den Wohnungseigentümern ein Ermessen dahingehend eingeräumt ist, eine Instandsetzungsmaßnahme wegen der Kosten und des Nutzens zurückzustellen. Diese Frage hat der BGH positiv beantwortet. Hieraus lässt sich aber nicht schließen, dass ein vollständiger Verzicht auf die Maßnahme möglich wäre. Wenn eine Erhaltungsmaßnahme nicht zeitnah durchzuführen ist, kann sie lediglich aufgeschoben werden.

Abhängig von der Frage, ob das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz in der von ihm nach § 26a Abs. 2 WEG n. F. noch auszuarbeitenden Verordnung eine "Alte-Hasen-Regelung" vorsehen wird[5], würde das Gericht die Klage abweisen, schließlich handelt es sich um ein Unternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung. Würde sich dieses im Laufe des Rechtsstreits zertifizieren lassen, hätte sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Im Rahmen der dann zu treffenden Kostenentscheidung und ...

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