Zunächst einmal steht es den Wohnungseigentümern völlig frei, auch ab dem 1.12.2023 einen Verwalter zu bestellen, der nicht zertifiziert ist. Allerdings würde der Bestellungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Etwas anderes würde nur im Fall der Wiederbestellung des Verwalters gelten, der bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WEMoG als Verwalter bestellt war, da dieser ja bis 1.6.2024 den Wohnungseigentümern gegenüber als zertifizierter Verwalter gilt – bis zu diesem Zeitpunkt sollte allerdings auch er sich um seine Zertifizierung bemühen.

Steht jedoch eine Verwalterneubestellung an, ist nicht vorgenannter Zeitpunkt maßgeblich, sondern der 1.12.2023. Würde also ab diesem Zeitpunkt ein nicht zertifizierter Verwalter bestellt werden, wäre der Beschluss auf Anfechtungsklage hin für ungültig zu erklären. Der Beschluss wäre nicht nichtig, weshalb auch der nicht zertifizierte Verwalter im Fall der Bestandskraft des Beschlusses nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 45 WEG durchatmen könnte. Selbstverständlich kann aber auch er, wie jeder zertifizierte Verwalter, gemäß § 26 Abs. 3 WEG jederzeit grundlos von seinem Amt abberufen werden. Bekanntlich bedarf es hierfür aber eines Mehrheitsbeschlusses der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Da die Bestellung eines zertifizierten Verwalters eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung darstellt, stellt sich die praxisrelevante Frage, ob ggf. ein einzelner Wohnungseigentümer die Bestellung eines zertifizierten Verwalters verlangen kann.

 
Praxis-Beispiel

Verwalterbestellung ab 1.1.2021

Die Wohnungseigentümer bestellten mit Wirkung zum 1.1.2021 bis 31.12.2024 einen neuen Verwalter. Es handelt sich um ein renommiertes Verwalterunternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung und besten Referenzen. Da das WEMoG am 1.12.2020 in Kraft getreten ist, kommt dieses Unternehmen nicht in den Genuss der Privilegierung des § 48 Abs. 4 Satz 2 WEG. Der Verwalter lädt mit Schreiben vom 12.4.2024 zur Eigentümerversammlung am 14.5.2024. Am 16.4.2024 geht ihm die E-Mail eines Wohnungseigentümers zu, der eine Ergänzung der Tagesordnung um die Punkte "Abberufung des Verwalters" und "Bestellung eines zertifizierten Verwalters" begehrt. Der Verwalter kommt diesem Begehren nach. In der Versammlung werden beide Beschlüsse mit großer Mehrheit abgelehnt, da die Verwaltung durchweg problemlos und vertrauensvoll erfolgt. Der Wohnungseigentümer erhebt Anfechtungsklage, verbunden mit einer Klage auf Beschlussersetzung.

Grundsätzlich kann jeder einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Maßgeblich wird auf das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen abgestellt. Im Rahmen seiner Entscheidung wird das Gericht prüfen müssen, ob das Ermessen der Wohnungseigentümer derart auf Null reduziert war, dass nur die Bestellung eines zertifizierten Verwalters ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Mit Blick auf die übrigen Regelbeispiele des § 19 Abs. 2 WEG hatte sich der BGH[1] mit dieser Problematik lediglich im Rahmen der Frage auseinanderzusetzen, ob den Wohnungseigentümern ein Ermessen dahingehend eingeräumt ist, eine Instandsetzungsmaßnahme wegen der Kosten und des Nutzens zurückzustellen. Diese Frage hatte er positiv beantwortet. Hieraus lässt sich aber nicht schließen, dass ein vollständiger Verzicht auf die Maßnahme möglich wäre. Wenn eine Erhaltungsmaßnahme nicht zeitnah durchzuführen ist, kann sie lediglich aufgeschoben werden.

Es liegt allerdings äußerst nahe, dass das Gericht den Bestellungsbeschluss als den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechend ansehen dürfte. Würde sich das Verwaltungsunternehmen allerdings im Laufe des Rechtsstreits zertifizieren lassen, hätte sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Im Rahmen der dann zu treffenden Kostenentscheidung und auch im Übrigen wird es berücksichtigen müssen, dass die von ihm zu treffende Entscheidung das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zum Gegenstand hat. Darüber hinaus wird es weiter berücksichtigen müssen, dass ein Verwalter ohnehin jederzeit von seinem Amt abberufen werden kann, wenn die Wohnungseigentümer ihn nicht mehr wollen. Auch wenn insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null zunächst nicht gegeben wäre, ist maßgeblich auch die Begründung des Gesetzgebers zu berücksichtigen: "Zur ordnungsmäßigen Verwaltung soll deshalb künftig die Bestellung eines zertifizierten Verwalters nach § 26a gehören. Damit soll jedem Wohnungseigentümer ein Anspruch darauf eingeräumt werden, dass ein solcher Verwalter bestellt wird. Das lässt die Möglichkeit unberührt, dass mit einem Verwalter, der nicht über ein Zertifikat verfügt, aber das Vertrauen aller Wohnungseigentümer besitzt, weiterhin zusammengearbeitet wird".[2] Nach Lesart dieser Begründung wird auf das Vertrauen aller Wohnungsei...

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