Abzuwarten bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung bezüglich zwar vorhandener Zertifizierung, aber noch nicht vorhandener Verwaltungserfahrung bei Branchenneulingen. Jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Anwendung von § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG n. F. ab 1. Dezember 2022 oder 1. Januar 2023 dürften folgende Maßstäbe weitergelten:

Nach Auffassung des BGH[1] stellt die Tatsache, dass der neue Wohnungseigentumsverwalter lediglich über Erfahrungen in der Verwaltung eigener Immobilien verfügt, für sich genommen noch keinen wichtigen Grund dar, der gegen seine Bestellung zum Verwalter spricht.

In der Instanzrechtsprechung stehen sich 2 Lager gegenüber:

  • LG Dortmund[2]: Ein Verwalterkandidat selbst – nicht nur eine Mitarbeiterin – muss über ausreichende Verwaltererfahrung (Referenzobjekte) verfügen, wenn er eine größere Anlage (hier: 75 Einheiten) künftig verwalten soll.

    LG Düsseldorf[3]: Die Bestellung eines Verwalters widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Person, die das Verwalteramt ausüben soll, keine selbstständige berufliche Erfahrung als Verwalter von Wohnungseigentum hat. Nach Auffassung des Gerichts genügt es nicht, wenn die Person vor ihrer Bestellung 2 Jahre als weisungsgebundener Angestellter in einem Immobilienverwaltungsunternehmen beschäftigt war.

  • LG Stuttgart[4]: Die Bestellung eines Kandidaten zum Verwalter kann auch dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn dieser weder über eine betriebswirtschaftliche noch über eine rechtliche Ausbildung verfügt. Er benötigt auch keine branchenspezifische Ausbildung, wenn die berufliche Stellung des Kandidaten Rückschlüsse auf seine Zuverlässigkeit zulässt. Im konkret zur Entscheidung stehenden Sachverhalt war aus dem Kreis der Wohnungseigentümer eine Polizeibeamtin zur Verwalterin bestellt worden, die zugesichert hatte, sich die für die Verwaltung erforderlichen Kenntnisse in ihrer Freizeit anzueignen.

Wie stets, kommt es auf den Einzelfall an. So dürfte in kleineren Gemeinschaften bis 20 Sondereigentumseinheiten nichts dagegen sprechen, einen Verwalter zu bestellen, der über keine branchenspezifische Erfahrung verfügt, weil er sich gerade erst als Immobilienverwalter selbstständig macht. Wichtig ist, dass ein zur Einberufung von Wohnungseigentümerversammlungen berechtigtes Organ existiert, sodass unproblematisch eine Willensbildung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer herbeigeführt werden kann und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unproblematisch handlungsfähig ist.

[2] LG Dortmund, Beschluss v. 20.3.2020, 17 S 170/19 in Bestätigung von AG Dortmund, Urteil v. 15.8.2019, 514 C 43/19, ZMR 2019 S. 1006.

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