Leitsatz

Der Anspruch eines Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG kann nicht vergemeinschaftet werden.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3, Abs. 2 Satz 3

 

Das Problem

  1. Die Mehrheit der Wohnungseigentümer will die Gemeinschaftsordnung ändern. Da sich Wohnungseigentümer K der Änderung versperrt, beschließt die Mehrheit wie folgt:

    Die Hausverwaltung wird beauftragt und ermächtigt, außergerichtlich und nötigenfalls gerichtlich, die Zustimmung von Wohnungseigentümer K im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft einzuholen und durchzusetzen. [...]

  2. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Das Amtsgericht weist die Anfechtungsklage ab. Auf die Berufung des K stellt das Landgericht die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Für den Beschluss fehle es den Wohnungseigentümern an einer Beschlusskompetenz. Die beabsichtigte Verfolgung des Anspruchs einzelner Eigentümer auf Änderung der Gemeinschaftsordnung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unterfalle weder ihrer geborenen noch ihrer gekorenen Wahrnehmungskompetenz. Man könne nur Ansprüche vergemeinschaften, die im gemeinschaftlichen Eigentum wurzeln. Die bezweckte Änderung der Gemeinschaftsordnung betreffe das gemeinschaftliche Eigentum aber nur zufällig und allenfalls mittelbar. Der Anspruch gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG basiere nicht auf dem dinglichen Recht am Eigentum, sondern stelle sich als Ausfluss des Rechts auf Teilhabe dar, das seinen Ursprung im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander habe. Es handle sich um einen höchstpersönlichen Individualanspruch, der nicht vergemeinschaftet werden könne.
  3. Mit der Revision wollten die beklagten Wohnungseigentümer die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Ohne Erfolg!
 

Die Entscheidung

Der Beschluss sei wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig.

  1. Nach § 23 Abs. 1 WEG würden durch Beschlussfassung solche Angelegenheiten geordnet, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach einer Vereinbarung die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden könnten. Anderenfalls bedürfe es einer Vereinbarung. Sei eine Angelegenheit weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch durch Vereinbarung der Beschlussfassung unterworfen, fehle es einer Beschlusskompetenz und sei ein dennoch gefasster Beschluss aufgrund absoluter Unzuständigkeit nichtig.
  2. Durch den Beschluss werde der Verwalter beauftragt und ermächtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer außergerichtlich, notfalls aber auch gerichtlich, die Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer zu einer Änderung der Gemeinschaftsordnung einzuholen und durchzusetzen. Das Landgericht verstehe diesen Beschluss dahin, es habe eine alleinige Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Individualansprüche der Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG auf Abschluss der Änderungsvereinbarung begründet werden sollen. Diese Auslegung sei nicht zu beanstanden (Hinweis auf BGH v. 10.7.2015, V ZR 169/14, NJW 2016 S. 53 Rn. 5).
  3. Als Kompetenzgrundlage für den Beschluss komme allein § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG in Betracht; dessen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Für den Individualanspruch des Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG könne eine Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht begründet werden. Nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG übe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nehme die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden könnten oder zu erfüllen seien. Diese Regelung beziehe sich nur auf Rechte und Pflichten aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, nicht aber auf das Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedschaftsrechte.
  4. § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gewähre hingegen dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Abänderung einer "Grundlagenvereinbarung", soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheine. Dieser Änderungsanspruch beziehe sich nicht auf das gemeinschaftliche Eigentum und dessen Verwaltung, sondern ausschließlich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses (Hinweis auf BGH v. 11.5.2012, V ZR 189/11, NJW-RR 2012 S. 1036 Rn. 8); er sei damit schon seiner Art nach von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG nicht erfasst.
  5. § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG betreffe zudem den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer, der der Vergemeinschaftung von vornherein entzogen sei. Zweck des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG sei die Beseitigung unbilliger Härten bei dem die Änderung verlangenden Wohnungseigentümer, die diesem bei einem Festhalten an der bisherigen Regelung entstünden (Hinweis auf BGH v. 11.6.2010, V ZR 174/09, BGHZ 186 S 34 Rn...

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