1 Leitsatz

Die Klage des Grundstücksnachbarn gegen die anderen Wohnungseigentümer, eine Baulast zu bewilligen, ist auch dann keine WEG-Streitigkeit, wenn der Grundstücksnachbar Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist.

2 Normenkette

§ 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG; § 72 Abs. 2 GVG

3 Das Problem

Grundstücksnachbar K, der auch Wohnungseigentümer ist, und die anderen Wohnungseigentümer streiten um die Bewilligung einer Baulast. Fraglich ist, ob es sich bei der Klage auf Bewilligung der Baulast um eine WEG-Streitigkeit handelt. Die beklagten Wohnungseigentümer bejahen die Frage und berufen sich auf eine unter ihnen als Wohnungseigentümer vereinbarte Schiedseinrede (Hintergrund ist, dass K Wohnungseigentümer ist: die Klage von den staatlichen Gerichten wäre dann unzulässig).

4 Die Entscheidung

Das KG Berlin meint, der Zulässigkeit der Klage vor den staatlichen Gerichten stehe die Schiedsvereinbarung nicht entgegen. Bei dem in Rede stehenden Problem handele es sich nämlich nicht um eine WEG-Streitigkeit. Die Auseinandersetzung betreffe keine Binnenstreitigkeit i. S. v. § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Die Streitigkeit betreffe auch kein sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebendes Recht. Vielmehr stritten die Wohnungseigentümer, ob die einzelnen Wohnungseigentümer verpflichtet seien, die von K begehrte Baulast zu bewilligen. Dabei handele es sich nicht um einen Anspruch, welcher sich aus den Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes ergebe, sondern um einen gesetzlichen Anspruch der Grundstücksnachbarn aus §§ 1018, 242 BGB. Denn die Verpflichtung, die Baulasterklärung abzugeben, folge aus dem durch die Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis (Hinweis u. a. auf BGH, Urteil v. 3.2.1989, V ZR 224/87).

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall ist zu klären, ob eine WEG-Streitigkeit vorliegt. Dies verneint das KG Berlin zu Recht – obwohl der Kläger (auch) ein Wohnungseigentümer ist. § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WEG sind zwar weit auszulegen. Für die Normanwendung kommt es nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, aus welcher der Anspruch abgeleitet wird. Maßgeblich ist allein der Umstand, ob das in Anspruch genommene Recht oder die den Wohnungseigentümer treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist aber nicht einschlägig, wenn der Kläger zwar zum Kreis der Wohnungseigentümer gehört, die anderen Wohnungseigentümer aber nicht in dieser Eigenschaft in Anspruch genommen werden.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Das KG Berlin hat leider nicht problematisiert, ob die Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten wäre. Es hat aber in der Sache richtig entschieden. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann sich sachenrechtlich zum Grundstück nicht erklären. Tritt ein Grundstücksnachbar daher an die Verwaltung heran, hat diese den Grundstücksnachbarn an die Wohnungseigentümer zu verweisen. Bei einer Grunddienstbarkeit oder einem Notwegerecht wäre es nicht anders.

6 Entscheidung

KG Berlin, Urteil v. 6.12.2022, 7 U 97/21

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