Leitsatz

Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Kosten für Beratungsdienste, die ein Steuerpflichtiger zur Feststellung der Höhe einer Forderung, die zum Vermögen seines Unternehmens gehört und die mit einer vor Entstehung seiner Mehrwertsteuerpflichtigkeit erfolgten Veräußerung von Anteilen zusammenhängt, in Anspruch genommen hat, in Ermangelung von Nachweisen dafür, dass diese Dienste ihren ausschließlichen Grund in der von dem Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der 6. EG-Richtlinie haben, keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Tätigkeit aufweisen und folglich nicht zum Abzug der auf ihnen lastenden Mehrwertsteuer berechtigen.

 

Problematik

Investrand wurde am 22.8.1986 gegründet. Sie hielt 43,57 % der Anteile der Cofex BV, eines Bekleidungsherstellers. Am 3.8.1989 übertrug Investrand ihre Anteile an Cofex an die Gesellschaft Hi-Tec Sports. Bei diesem Verkauf wurde vereinbart, dass Investrand neben einem Festpreis ein Entgelt erhalten sollte, dessen Höhe von der Gewinnentwicklung von Cofex in den Jahren 1989 bis 1992 abhängig sein sollte.

Bis 1.1.1993 betätigte sich Investrand als eine passive Holding-Gesellschaft, die Anteile an anderen Gesellschaften hielt, jedoch nicht in deren Geschäftsführung eingriff. Vor dem 1.1.1993 erbrachte Investrand keine Leistungen gegen Entgelt. Von da an jedoch übte sie aufgrund eines mit Cofex geschlossenen Vertrags für Cofex gegen Entgelt Managementtätigkeiten aus.

Bei der Berechnung des Entgelts, das Investrand auf der Grundlage des Gewinns von Cofex für das Jahr 1992 zustand, kam es zwischen Investrand und Hi-Tec Sports zu einer Streitigkeit. Diese führte 1996 zu einem schiedsgerichtlichen Verfahren, in dessen Rahmen Investrand Rechtsberatungskosten entstanden. Die auf diese Kosten entrichtete Mehrwertsteuer machte sie für das Geschäftsjahr 1996 als Vorsteuer geltend.

Die niederländische Steuerverwaltung lehnte ab. Im anschließenden Gerichtsverfahren wurde dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Muss in Bezug auf das in Art. 17 Abs. 2 der 6. EG- Richtlinie zuerkannte Recht auf Vorsteuerabzug ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen bestimmten von einem Steuerpflichtigen empfangenen Dienstleistungen und den von ihm noch zu tätigenden steuerpflichtigen Umsätzen dann angenommen werden, wenn er diese Dienstleistungen im Hinblick auf die Feststellung einer Geldforderung empfangen hat, die zu seinem Vermögen gehört, jedoch vor der Zeit entstanden ist, in der er mehrwertsteuerpflichtig war?

 

Konsequenzen für die Praxis

Nach der EuGH-Rechtsprechung muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann. Das Recht auf Abzug der für die Eingangsumsätze entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören.

Auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen wird das Recht auf Vorsteuerabzug dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Verkauf von Anteilen nicht selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der 6. EG-Richtlinie darstellt und daher nicht in deren Anwendungsbereich fällt, stehen die Kosten für die Beratungsleistungen nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit spezifischen Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Es handelt sich aber auch nicht um allgemeine Aufwendungen, die in einem solchen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Steuerpflichtigen zusammenhängen. Dafür reicht nicht aus, dass diese Forderung (über die der Beratungsbedarf entstand) zum Vermögen des von Investrand betriebenen Unternehmens gehörte. Vielmehr war die Situation von Investrand keine andere als die eines privaten Anteilseigners, der nach dem Verkauf der Anteile rechtliche Beratung in Anspruch genommen hat und in einem Rechtsstreit mit dem Käufer über die Höhe der Kaufpreisforderung die Kosten dieser Beratung zu tragen hatte. Eine solche Konstellation fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie.

Zu beachten ist m. E. Folgendes: Der EuGH beginnt zwar mit dem Grundsatz des Zusammenhangs, d. h. vorsteuerbelastete Aufwendungen müssen Kostenelement der versteuerten Ausgangsumsätze sein. Er entscheidet aber letztlich nicht nach ...

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