1 Leitsatz

Der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage genügt auch dann den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Umlageschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Umlageschlüssels.

2 Normenkette

§§ 16 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen die Erhebung einer Sonderumlage i. H. v. 2.930.000 EUR für eine Reparatur der Hof-Decke, die zumindest teilweise zugleich die Decke der darunter belegenden Tiefgarage darstellt. Nach dem Beschluss soll die Summe unter den Wohnungseigentümern im Verhältnis der Miteigentumsanteile verteilt werden.

Wohnungseigentümer K geht gegen diesen Beschluss vor. Er verweist auf die Gemeinschaftsordnung. Danach sind die Eigentümer berechtigt, jedes Teil- in Wohnungseigentum umzuwandeln. Gehen sie so vor, sei der vereinbarte Umlageschlüssel – das Verhältnis der Miteigentumsanteile – zu ändern. Die Eigentümer hätten von diesem Recht Gebrauch gemacht. Die Kosten seien daher mittlerweile im Verhältnis der Wohn- bzw. Nutzfläche zu verteilen. Jedenfalls verstoße der Beschluss gegen die Gemeinschaftsordnung. Danach seien die Kosten der Instandhaltung und Reparatur der Tiefgarage nur von den Eigentümern der Garagen mit den Ziffern G1 bis G30 zu tragen.

4 Die Entscheidung

Dass LG sieht das nicht so! Zwar hätten die Wohnungseigentümer die Umlagevereinbarung tatsächlich ändern müssen. Dies sei bislang aber nicht geschehen. Die Anordnung, die Umlagevereinbarung zu ändern, habe keine Vorwirkungen. Im Übrigen sei zu beachten, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit einräume, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Ob K nach der Gemeinschaftsordnung oder aus § 10 Abs. 2 WEG einen Anspruch auf eine Umlagevereinbarung nach dem Verhältnis der Wohn- bzw. Nutzfläche habe, könne offenbleiben. K könnte seiner Zahlungsverpflichtung einen solchen Abänderungsanspruch nicht einredeweise entgegenhalten (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 13.7.1995, V ZB 6/94). Aus dem gleichen Grund begründete das Bestehen eines solchen Abänderungsanspruchs auch keinen Anfechtungsgrund, der die Ungültigerklärung des Beschlusses rechtfertigen würde.

Richtig sei, dass der Beschluss wegen der auf die Tiefgarage entfallenden Kosten teilweise gegen die Gemeinschaftsordnung verstoße. Es sei aber in Betracht zu ziehen, dass die Wohnungseigentümer die dort niedergelegte Umlagevereinbarung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG geändert haben. Allerdings sei die Reichweite des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ungeklärt. Ob das Belastungsverbot im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG weiterhin zu beachten sei, habe der Gesetzgeber offengelassen. Aber auch dann, wenn es keine Beschlusskompetenz gebe, einem Wohnungseigentümer erstmalig Kosten aufzuerlegen, wäre die Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen nicht ohne Weiteres rechtswidrig. Zu berücksichtigen sei, dass die nach der Umlagevereinbarung belasteten Eigentümer aufgrund des Rücksichtnahmegebots möglicherweise verlangen könnten, dass sie nicht allein mit den auf diese Baubestandteile entfallenden Kosten belastet werden. Diese Fragen könnten im Ergebnis aber alle offenbleiben.

Ein Vorschuss-Beschluss sei nämlich nicht erfolgreich anfechtbar, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer geringfügig höher oder niedriger ausfielen als bei Ansatz eines zutreffenden Umlageschlüssels (Hinweis auf LG Berlin, Urteil v. 30.8.2022, 55 S 7/22 WEG, ZMR 2022 S. 988).

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es einerseits um die Frage, was gilt, wenn ein Wohnungseigentümer womöglich einen Anspruch auf die Änderung einer Umlagevereinbarung hat. Andererseits geht es um die Frage, ob ein Vorschuss-Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen kann, wenn ein falscher Umlageschlüssel eingesetzt worden ist.

Anspruch auf Änderung einer Umlagevereinbarung

Wie vom LG ausgeführt, kann ein Wohnungseigentümer zwar einen Anspruch auf Änderung einer Umlagevereinbarung haben. Diesen Anspruch kann er aber einer Zahlungsverpflichtung nicht erfolgreich entgegenhalten.

Vorschuss-Beschluss und Umlageschlüssel

Nach ganz h. M. widerspricht ein Vorschuss-Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn bei den Beträgen, die auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallen sollen, ein falscher Umlageschlüssel eingesetzt wurde. Diese Rechtslage betrachtet das LG für geringfügige Fehler anders. Dem ist aber nicht zu folgen. Es gab zwar auch bislang Tendenzen, einen Beschluss zu halten, wenn er nur "ein klein wenig" falsch ist. Mit solchen Wertungen darf man aber nicht anfangen.

6 Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 31.1.2023, 55 S 28/22 WEG

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