Leitsatz

  1. Ein Vorkaufsrecht des Mieters entsteht nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, wenn nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist und dieses dann an einen Dritten verkauft wird.
  2. Die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ist davon abhängig, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet werden soll und das zukünftige Wohnungseigentum an einen Dritten verkauft wird. Ein Vorkaufsrecht besteht nach dieser Alternative nicht, wenn die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, schon vor der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter gefasst worden und sich nach außen hinreichend manifestiert hat.
 

Normenkette

§§ 469 Abs. 1 Satz 1, 577 Abs. 1 Satz 1 BGB; §§ 7, 8 WEG

 

Das Problem

Am 28.9.2010 lässt B eine Teilungserklärung in Bezug auf sein Mietshaus notariell beurkunden. K und B schließen in Bezug auf eine Wohnung in diesem Mietshaus am 17.11.2010 einen Mietvertrag. Am 15.12.2010 wird K die Mietsache überlassen. Am 16.12.2010 veräußert B die von K angemietete Wohnung an E. Am 23.12.2010, werden die Wohnungsgrundbücher angelegt. E wird am 18.10.2011 im Grundbuch eingetragen. Im November 2013 erlangt K Kenntnis vom Abschluss des Kaufvertrags. K ist der Auffassung, er sei gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Vorkauf berechtigt gewesen.

 

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof sieht das anders! Die Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB lägen nicht vor. Seiner Anwendung stehe entgegen, dass der Kaufvertrag mit E der Überlassung zeitlich vorgegangen sei. Werde – wie im Fall – Wohnungseigentum erst nach dem Verkauf durch Anlegung der Wohnungsgrundbuchblätter begründet, scheide ein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB aus. Auch die Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB seien nicht erfüllt. Ein hierauf gestütztes Vorkaufsrecht scheitere bereits daran, dass B seine Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, vor Überlassung der vermieteten Wohnräume an K gefasst und dokumentiert habe. Auch für die Anwendung des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB müsse das Tatbestandsmerkmal "Wohnungseigentum soll begründet werden" zeitlich nämlich nach der Überlassung der Mietsache erfüllt werden. Die Manifestation des Willes des B liege jedenfalls in der notariellen Beurkundung der Teilungserklärung.

 

Kommentar

Anmerkung

Einem Mieter kann ein Anspruch auf Ersatz der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem vom Vermieter erzielten Kaufpreis (allerdings abzüglich im Fall des Erwerbs angefallener Kosten) als Erfüllungsschaden zustehen, wenn er infolge einer Verletzung der den Vermieter treffenden Mitteilungspflichten aus §§ 577 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 469 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Inhalt des Kaufvertrags mit einem Dritten und dem Bestehen eines Vorkaufsrechts erst nach Übereignung der Wohnung an den Dritten Kenntnis erlangt hat und aus diesen Gründen von der Ausübung des Vorkaufsrechts absieht.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Mieter, der von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht, wird Wohnungseigentümer. Dies geschieht allerdings erst mit seiner Eintragung im Grundbuch. Ist eine Zustimmung nach § 12 WEG vereinbart, gilt die Notwendigkeit der Zustimmung auch für den Mieter – sofern nichts anderes vereinbart ist. Insbesondere beim Mieter muss der Verwalter als Zustimmungsberechtigter prüfen, ob gegen diesen persönliche Gründe sprechen. Denn beim Mieter gibt es ein zu bewertendes "Vorverhalten".

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 6.4.2016, VIII ZR 143/15

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