Rz. 1

In VV Teil 2 Abschnitt 1 sind besondere Beratungstätigkeiten des Anwalts "ausgelagert". Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels war früher in § 20 BRAGO geregelt, und zwar als allgemeine Beratung in § 20 Abs. 1 BRAGO und als Abrategebühr in § 20 Abs. 2 BRAGO. Mit Inkrafttreten des RVG unterscheidet das Gesetz nicht mehr danach, ob der mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels beauftragte Anwalt mit der Sache noch nicht befasst war,[1] ob er von dem Rechtsmittel abrät und auch hiermit nicht beauftragt wird (so aber noch § 20 Abs. 2 BRAGO). Im Gegensatz zur BRAGO wird die Prüfung der Erfolgsaussicht auch nicht mehr auf Angelegenheiten beschränkt, in denen nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist (§ 2 Abs. 1); geregelt ist auch die Prüfung der Erfolgsaussicht in Angelegenheiten, in denen nach Betragsrahmengebühren abgerechnet wird. Darüber hinaus wird auch nicht mehr zwischen Berufung und Revision einerseits und sonstigen Rechtsmitteln andererseits differenziert – so aber noch die BRAGO. Nach dem RVG gelten für alle Rechtsmittelprüfungen die Vorschriften nach VV Teil 2 Abschnitt 1. Nicht anzuwenden sind die Vorschriften dagegen auf Rechtsbehelfe, wie Einspruch, Widerspruch oder Gehörsrüge, ebenso wenig auf die Erinnerung oder einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

 

Rz. 2

In Abschnitt 1 sind insgesamt vier Gebührentatbestände enthalten:

VV 2100: Gebühr für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, soweit in VV 2102 nichts anderes bestimmt ist.

Dieser Gebührentatbestand gilt für Angelegenheiten, in denen nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird (§ 2 Abs. 1). Er gilt daher auch in Straf- und Bußgeldsachen und in Verfahren nach VV Teil 6, sofern dort Wertgebühren anfallen, wie z.B. nach VV 4142, 4143 f. oder 5116. Die frühere gegenteilige Gesetzesfassung in VV Vorb. 2 Abs. 3 a.F., wonach die Gebühren der VV 2100, 2101 nicht in Angelegenheiten nach den VV Teilen 4 bis 6 anzuwenden sein sollten, ist aufgehoben.

VV 2100 gilt nicht, soweit der Anwalt mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt ist; dann greift VV 2101.
Vorgesehen ist ein Rahmen von 0,5 bis 1,0; die Mittelgebühr beträgt 0,75.

VV 2101: Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels verbunden mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens.

Ist der Auftrag zur Prüfung des Rechtsmittels in Angelegenheiten, die nach dem Wert abgerechnet werden (§ 2 Abs. 1), verbunden mit dem Auftrag, ein schriftliches Gutachten hierüber auszuarbeiten, so gilt der speziellere Gebührenrahmen der VV 2101, die § 34 Abs. 1 verdrängt. Auch hier entsteht eine Gebühr nach VV 2100. Es fällt jedoch ein höherer (fester) Gebührensatz an, nämlich 1,3.

VV 2102: Gebühr für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 2), sowie in Angelegenheiten nach VV Teil 4 bis 6, soweit hier nicht nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird (VV 4142, 4143 f. oder 5116).

Diese Vorschrift ist das Pendant zu VV 2100 für Angelegenheiten, in denen die Gebühren sich nicht nach dem Wert richten, also für sozialrechtliche Verfahren nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 S. 1, sowie für Straf- und Bußgeldsachen und in Verfahren nach VV Teil 6. Hier steht dem Anwalt an Stelle des Satzrahmens ein Betragsrahmen zur Verfügung, und zwar von 35 EUR bis 385 EUR; die Mittelgebühr beträgt 210 EUR.

VV 2103: Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, verbunden mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens in Verfahren, deren Gebühren nicht nach dem Wert abzurechnen sind.

Dies ist die Entsprechung zu VV 2101. In sozialrechtlichen Verfahren nach § 3 Abs. 1 S. 1 sowie in Straf- und Bußgeldsachen und in Verfahren nach VV Teil 6 steht dem Anwalt ein höherer Gebührenrahmen zur Verfügung, wenn er zusätzlich mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt ist, und zwar in Höhe von 60 EUR bis 660 EUR; die Mittelgebühr beträgt 360 EUR.
 

Rz. 3

Allen Vorschriften gemeinsam ist, dass die Gebühr anzurechnen ist, wenn anschließend das Rechtsmittel durchgeführt wird (Anm. zu VV 2100; Anm. zu VV 2102).

Da es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit handelt, kann keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (siehe VV 2100 Rdn 47 f.), wohl aber Beratungshilfe (siehe VV 2100 Rdn 49 f.). Dagegen ist die Prüfungstätigkeit von der Pflichtverteidigerbestellung erfasst (siehe VV 2100 Rdn 50).

[1] OLG Düsseldorf AGS 2006, 482 = RVGreport 2007, 67 = JurBüro 2006, 635; LG Berlin AGS 2006, 73; Gerold/Schmidt/Mayer, VV 2100 Rn 2; a.A. KG AGS 2006, 433 = RVGreport 2007, 347.

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