Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels

 

Leitsatz (redaktionell)

Nr. 2202 VV a.F. (jetzt: Nr. 2102 VV) gilt nur für den Fall, dass ein bislang noch nicht gerichtlich tätig gewordener Rechtsanwalt, der mit der Sache auch noch nicht befasst gewesen ist, die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels vornimmt

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist dem Angeklagten nach § 140 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO als Verteidiger beigeordnet worden. Das Landgericht hatte den Angeklagten am 1.9.2005 wegen Betruges in 16 Fällen und versuchten Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Eingehend am 6.9.2005 hat der Beschwerdeführer gegenüber dem Landgericht schriftlich für den Mandanten Rechtsmittelverzicht erklärt. Anschließend beantragte er die Festsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren, darunter auch eine Gebühr nach Nr. 2202 VV a.F. (jetzt: Nr. 2102 VV) für die Prüfung der Erfolgsaussicht der Revision.

Die Rechtspflegerin hat diese Gebühr abgesetzt; die hiergegen erhobene Erinnerung hat die Vorsitzende der Strafkammer zurückgewiesen, gleichzeitig aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG die sofortige Beschwerde zugelassen. Mit dieser wendet sich der Rechtsanwalt weiterhin gegen den Abzug der Prüfungsgebühr und macht darüber hinaus eine Gebühr nach Nr. 4141, 4130 VV geltend, weil er die fristwahrend eingelegte Revision zurückgenommen und damit eine Hauptverhandlung entbehrlich gemacht habe. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

II.

Dem Beschwerdeführer steht weder die Gebühr der Nr. 2202 VV noch diejenige der Nr. 4141 VV oder Nr. 4130 VV zu.

1. Durch Nr. 2202 VV wird u.a. die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels in Angelegenheiten vergütet, die in den Teilen 4 bis 6 des RVG geregelt sind, mithin grundsätzlich auch im Straf- und Bußgeldverfahren. Wenngleich bei oberflächlicher Betrachtung der Wortlaut der Ansicht des Beschwerdeführers Recht zu geben scheint, kann er diese Gebühr dennoch nicht für sich beanspruchen. Denn sie gilt nur für den Fall, dass ein bislang noch nicht gerichtlich tätig gewordener Rechtsanwalt, der mit der Sache auch noch nicht befasst gewesen ist, die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels vornimmt (vgl. Hartmann, KostG, 35. Aufl., Nr. 2200 VV Rn 3). Hat der Rechtsanwalt den Angeklagten jedoch bereits im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren vertreten bzw. ist er wie hier der Beschwerdeführer - diesem als Pflichtverteidiger beigeordnet worden, gehört nach § 19 Abs. 1 Nr. 10 RVG die Einlegung von Rechtsmitteln und damit zwangsläufig auch die Prüfung der Erfolgsaussicht noch zum vorangegangenen Rechtszug und ist mit der dort verdienten Verfahrensgebühr abgegolten (vgl. Burhoff, RVG, Vorbem. zu 4.1. Rn 14 S. 570, Rn 2 S. 203 und Nr. 4106 Rn 7 S. 619).

2. Soweit der Beschwerdeführer erstmals mit der Begründung seiner weiteren Beschwerde die Gebühr nach Nr. 4141, 4130 VV (Befriedungsgebühr für eine Rücknahme der Revision) beansprucht, kann offen bleiben, ob eine Änderung der Gebührentatbestände in diesem Verfahrensstadium überhaupt noch statthaft ist. Denn auch diese Gebühr beansprucht der Beschwerdeführer vergeblich. Sie setzt nach zwischenzeitlich überwiegender Ansicht die Begründung der Revision voraus, weil nur in diesen Fällen die Durchführung einer Hauptverhandlung zumindest theoretisch möglich ist (vgl. KG, Beschl. v. 4.5.2006-4 Ws 57/06 - und v. 28.6.2005 in RVGreport 2005, 352; OLG Bamberg v. 22.3.2006-1 Ws 142/06 - in juris; OLG Braunschweig v. 16.3.2006 zu Nr. 4141 VV und im Ergebnis wohl auch OLG Zweibrücken v. 17.5.2005 beide bei burhoff.de). Wird die Revision hingegen nicht begründet, gelangen die Akten in aller Regel erst gar nicht zum Revisionsgericht, weil die Revision zuvor durch Beschluss des Gerichts, dessen Urteil angefochten worden ist, nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen wird. Vorliegend ist das Rechtsmittel nicht nur nicht begründet, sondern die Revisionsbegründungsfrist mangels Zustellung des Urteils noch nicht einmal in Lauf gesetzt worden, so dass zumindest in diesem Verfahrensstadium die Durchführung einer Hauptverhandlung theoretisch unmöglich gewesen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2566736

AGS 2006, 433

RVGreport 2007, 347

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