A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Verweisung an ein anderes Gericht und die Zurückverweisung an ein untergeordnetes Gericht sind in den §§ 20 und 21 geregelt. Es handelt sich hierbei um Ergänzungen zu den §§ 16 ff.

 

Rz. 2

Die Fälle des § 20 S. 1 und des § 21 Abs. 2 sind eine Ergänzung des § 16, wonach es trotz Verweisung bzw. Zurückverweisung noch bei derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 verbleibt. Die Fälle des § 20 S. 2 und des § 21 Abs. 1 sind dagegen eine Ergänzung des § 17, wonach verschiedene Angelegenheiten gegeben sind.

 

Rz. 3

Die §§ 20 und 21 gelten grundsätzlich für alle gerichtlichen Verfahren, nicht nur für den Zivilprozess, sondern auch in Strafsachen, Bußgeldsachen, Verwaltungsrechtsstreiten, Finanzgerichtsverfahren, Sozialgerichtsverfahren und in Verfahren anderer Gerichtsbarkeiten. Auch in Familiensachen und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die Vorschriften anzuwenden. Darüber hinaus ist § 21 Abs. 1 auch dann anzuwenden, wenn ein Verfassungsgericht eine Entscheidung eines anderen Gerichts aufhebt und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverweist (siehe Rdn 51).

 

Rz. 4

Keine Anwendung finden die Vorschriften der §§ 20 und 21, wenn eine Sache von einem Gericht an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben wird. Ebenso wenig sind sie auf die Rückgabe einer Strafsache an die Staatsanwaltschaft oder eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens an die Bußgeldbehörde anzuwenden.

 

Rz. 5

Ebenfalls keine Anwendung finden die §§ 20 und 21, wenn das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung bestätigt und die Sache dann zur Fortsetzung des weiteren Verfahrens an die Vorinstanz zurückgibt, etwa bei Bestätigung eines Grund- oder Teil- oder Vorbehaltsurteils (siehe hierzu § 21 Rdn 22).

 

Rz. 6

Die §§ 20 und 21 Abs. 1 unterscheiden drei verschiedene Arten von Verweisungen:

 

Rz. 7

Horizontalverweisung: Die sog. Horizontalverweisung ist in § 20 S. 1 geregelt. Dies sind die Fälle der Verweisung oder Abgabe eines gerichtlichen Verfahrens an ein anderes Gericht der gleichen Instanzenstufe wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit oder wegen Unzuständigkeit des Rechtswegs.
Vertikalverweisung: Die sog. Vertikalverweisung ist in § 21 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 und in § 21 Abs. 2 geregelt. Dies sind die Fälle, in denen das Verfahren von einem Rechtsmittelgericht an ein im Instanzenzug untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird.
Diagonalverweisung: Die sog. Diagonalverweisung wiederum ist in § 20 S. 2 geregelt. Sie betrifft die Verweisung durch ein Rechtsmittelgericht an ein erstinstanzliches Gericht eines anderen örtlichen oder sachlichen Rechtszugs oder einer anderen Gerichtsbarkeit.
 

Rz. 8

Diese verschiedenen Verweisungsmöglichkeiten lassen sich am besten anhand eines Schaubildes verdeutlichen:

B. Die einzelnen Fallgruppen

I. Verweisung an ein Gericht gleicher Instanz wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit oder anderweitig gegebenem Rechtsweg (Horizontalverweisung)

1. Grundsatz

 

Rz. 9

Wird eine Sache an ein Gericht der gleichen Instanzenstufe abgegeben oder verwiesen, so gilt § 20 S. 1: Die Verfahren vor dem verweisenden oder abgebenden und dem übernehmenden Gericht bilden eine einzige Gebührenangelegenheit. Der Anwalt kann die Gebühren daher nur einmal verdienen (§ 15 Abs. 2).

2. Verweisung und Abgabe in erster Instanz

 

Rz. 10

Eine Abgabe oder Verweisung nach § 20 S. 1 wird in aller Regel nur in erster Instanz vorkommen. Es sind dies die Fälle, in denen der Rechtsweg nicht gegeben oder das angerufene Gericht sachlich oder örtlich unzuständig ist.

 

Rz. 11

Verweisung oder Abgabe in eine andere Gerichtsbarkeit:

die erstinstanzliche Zivilkammer des LG verweist den Rechtsstreit an das ArbG oder das SG[1]
das VG gibt das Verfahren an das FG ab
das SG verweist an das VG etc.
 

Rz. 12

Verweisung oder Abgabe wegen örtlicher Unzuständigkeit:

das LG Hamburg verweist den Rechtsstreit an das LG Frankfurt
das VG Köln verweist den Rechtsstreit an das VG Düsseldorf etc.
hierzu zählen auch die Fälle, in denen die Sache nach Bestimmung des zuständigen Gerichts (§ 36 Nr. 1 bis 4, 6 ZPO; §§ 13a, 14, 15 StPO) abgegeben oder verwiesen wird.[2]
 

Rz. 13

Verweisung wegen sachlicher oder funktioneller Unzuständigkeit innerhalb derselben Gerichtsbarkeit:

das AG verweist an das LG, da der Streitwert über 5.000 EUR liegt oder weil es in der Sache um Amtshaftung geht (§ 71 Abs. 2 GVG)
das LG verweist eine Wohnraummietsache an das AG
das LG (erstinstanzliche Kammer) verweist eine Haushaltssache an das AG als FamG[3]
das LG (erstinstanzliche Kammer) verweist eine sonstige Familienstreitsache nach § 266 FamFG an das AG als FamG
das LG (Strafkammer) eröffnet das Hauptverfahren vor dem AG (Strafrichter)[4]
der Strafrichter am AG verweist an das Schwurgericht beim LG[5]
das LG (erstinstanzliche Kammer) gibt die Sache an das als Schifffahrtsgericht zuständige AG ab[6]
die Kammer für Handelssachen erster Instanz verweist an die Zivilkammer erster Instanz[7]
das AG als Gericht der belegenen Sache gibt nach Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung die Sache gemäß § 942 ZPO an das zuständige LG ab[8]
das OLG als (erstinstanzliches) Familiengericht gibt ein Verfahren an das FamG ab
das FamG gibt ein Verfahren an das OLG als FamG ab, da dies erstinstanz...

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