Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbezogener Aufenthaltstitel. Gleichwertiger asylunabhängiger Aufenthaltstitel. Geringerwertiger asylunabhängiger Aufenthaltstitel. Keine Teilbarkeit der Widerrufsentscheidung. Ermessenskriterien. Duldungsgründe. zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Bindungswirkung. Sperrwirkung. Widerrufs der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Prüfprogramm und zu den Ermessenskriterien beim Widerruf einer asylbezogenen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Fortschreibung von BVerwG, Urteil vom 20.02.2003 – 1 C 13.02 –, NVwZ 2003, 1275 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.1996 – 13 S 2408/95 –)

2. Ein Vorbringen, das typische Merkmale eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG (§ 60 Abs. 27 AufenthG) aufweist, darf beim Widerrufsermessen nur nach Maßgabe der Bindungs- bzw. Sperrwirkung von Bundesamtsentscheidungen nach § 42 Satz 1 AsylVfG berücksichtigt werden.

 

Normenkette

AuslG § 43 Abs. 1 Nr. 4, § 45 Abs. 2, §§ 53, 55 Abs. 2; AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 55 Abs. 3, § 60 Abs. 2, 7, § 60a Abs. 2; AsylVfG § 42 S. 1, § 73 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG Sigmaringen (Urteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 2 K 345/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. Juli 2004 – 2 K 345/04 – geändert. Die Klage gegen die Verfügung des Landratsamts Bodenseekreis vom 07. Oktober 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 30. Januar 2004 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein 1995 in Deutschland geborener serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Seine Eltern, A. und D. A., reisten mit der ältesten Schwester D. 1994 in das Bundesgebiet ein. Ihre Asylanträge wurden durch Bescheide des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 01.12.1994 abgelehnt, Abschiebungshindernisse nach § 51 und § 53 AuslG wurden nicht festgestellt. Diese Bescheide wurden am 23.11.1995 bestandskräftig. Ein erster Asylfolgeantrag der Mutter wurde 1999 abgelehnt. Die Ehe der Eltern wurde 1995 in Jugoslawien geschieden, das Sorgerecht für den Kläger der Mutter zugesprochen. Der Vater heiratete im Anschluss eine deutsche Staatsangehörige; eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug wurde ihm von der Stadt Tuttlingen 1999 wegen Fehlens einer ehelichen Lebensgemeinschaft versagt, im Oktober 2001 wurde der Vater in den Kosovo abgeschoben. Die Mutter, eine ältere Schwester sowie zwei jüngere Geschwister des Klägers werden seit längerem geduldet. Mit Bescheid vom 05.08.2002 hat das Bundesamt einen zweiten Folgeantrag der Mutter und einen Folgeantrag der Schwester D. sowie Anträge auf Änderung der früheren Bescheide bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG abgelehnt.

Der Kläger wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 28.06.1999 in Befolgung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils als Asylberechtigter anerkannt und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG wurde festgestellt. Hierauf erteilte das Landratsamt Bodenseekreis dem Kläger mit Bescheid vom 29.07.1999 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Mit Verfügung vom 01.12.2000, bestandskräftig seit dem 05.02.2003, widerrief das Bundesamt die Asylanerkennung und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorliegen. Anknüpfend hieran widerrief das Landratsamt Bodenseekreis mit Verfügung vom 07.10.2003 die unbefristete Aufenthaltserlaubnis und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Serbien-Montenegro unter Gewährung einer Ausreisefrist von einem Monat ab Bekanntgabe an. Die Entscheidung wurde auf § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG gestützt: schutzwürdige Belange des Klägers und seiner Familie am Verbleib in Deutschland bestünden nicht; die Mutter sei nur im Hinblick auf das bisherige Aufenthaltsrecht des Klägers bis zu einer gemeinsamen Ausreise der Familie geduldet worden. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger unter anderem geltend, seine Mutter wolle gerne arbeiten, könne dies wegen der vier Kinder jedoch nicht. Bei einer Rückkehr mit den Kindern in das Kosovo würden sie jeden familiären Rückhalt verlieren. Zu ihrem früheren Ehemann habe die Mutter keinen Kontakt mehr, im Gegenteil werde sie von diesem und seiner Familie aufs Schlimmste verfolgt.

Das Regierungspräsidium Tübingen wies den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 30.01.2004 zurück: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen gleichwertigen asylunabhängigen Aufenthaltstitel und auch sonst seien keine Ermessensfehler beim Widerruf zu erkennen. Die Einlassungen zu zielstaatsbezogenen Gefahren könnten wegen der Bindungswirkung der negativen Entscheidung des Bundesamts nicht berücksichtigt werden. Schutzwürdige persönliche Belange, die das öffentliche Widerrufsinteresse überwögen, seien nicht zu erkennen. Das bisherige Aufent...

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