Entscheidungsstichwort (Thema)

Videoüberwachung

 

Nachgehend

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 21.07.2003; Aktenzeichen 1 S 377/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die am Paradeplatz, dem Marktplatz, dem Neckartor und dem Kurpfalzkreisel installierten Kameras zur Überwachung der öffentlichen Verkehrsräume vom Paradeplatz über den Marktplatz bis zum Kurpfalzkreisel.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Stadtkreis Mannheim trotz rückläufiger Straftaten statistisch immer noch zu den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg mit der höchsten Kriminalitätsbelastung zählt, beschloss das Innenministerium Baden-Württemberg im Mai 2000 die Einrichtung eines Modellversuchs zur Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen in der Stadt Mannheim. Zur Verwirklichung dieses Modellversuchs wurden am Paradeplatz drei Kameras, am Marktplatz, am Neckartor und am Kurpfalzkreisel jeweils eine Kamera aufgestellt und am 26.07.2001 in Betrieb genommen. Zur Begründung wurde auf die hohe Kriminalitätsrate in Mannheim und die Begehung zahlreicher Straftaten in den genannten Bereichen der Innenstadt verwiesen. Nach Erkenntnissen des Polizeipräsidiums Mannheim kam es im Jahr 2000 am Marktplatz zu 682, am Paradeplatz zu 838 und am Neckartor zu 656 Einsätzen. Nach einer weiteren Statistik für Straftaten ergab sich, dass im Jahr 2000 am Paradeplatz 88, am Marktplatz 77 und am Neckartor 54 Straftaten begangen worden sind.

Die Gesamtkriminalität betrug im Stadtgebiet Mannheim im Jahr 2000 34.351 Straftaten und die Straßenkriminalität lag im gleichen Zeitraum bei 8.232.

Bereits am 01.12.2000 hatte der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung der Beklagten zu untersagen, vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes und des Meldegesetzes Video-Überwachungsanlagen im öffentlichen Straßenraum zu betreiben. Nach Zurücknahme des Antrags wurde das Verfahren durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.01.2001 (11 K 3380/00) eingestellt.

Durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes und des Meldegesetzes vom 19.12.2000 (GBl. S. 752) wurde § 21 des Polizeigesetzes wie folgt geändert:

  1. Die Überschrift erhält folgende Fassung: Offene Bild- und Tonaufzeichnungen
  2. Nach Abs. 2 wird folgender Abs. 3 eingefügt

    Der Polizeivollzugsdienst und die Ortspolizeibehörden können zur Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht wird, oder zur Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit die in § 26 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte, soweit sie öffentlich zugängliche Orte sind, offen mittels Bildübertragung beobachten und Bildaufzeichnungen von Personen anfertigen

  3. Der bisherige Abs. 3 wird Abs. 4 folgender S. 2 wird angefügt:

    Bildaufzeichnungen nach Abs. 3 sind nach 48 Stunden zu löschen, soweit nicht die Voraussetzungen für eine Verwendung nach S. 1 vorliegen

Der Kläger hat am 29.01.2001 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Er beantragt,

dem beklagten Land zu untersagen, in Mannheim auf öffentlichen Plätzen und Straßen zwischen dem Paradeplatz und dem Neckartor mittels Bildübertragung zu beobachten und Bildaufzeichnungen von Personen anzufertigen.

Zur Begründung macht er geltend, § 21 Abs. 3 PolG sei nicht hinreichend bestimmt. Die Regelung enthalte keine materielle Eingriffsvoraussetzungen. Dem Tatbestand sei nicht zu entnehmen, an welche Voraussetzungen intensivere Eingriffe geknüpft seien. Ihm sei es daher nicht möglich zu erkennen, welchen Eingriffen er in der jeweiligen Situation ausgesetzt sei. Aus der Ermächtigungsgrundlage seien die Voraussetzungen und der Umfang der Grundrechtseinschränkungen nicht zweifelsfrei erkennbar. Die vom beklagten Land in Mannheim durchgeführte Videoüberwachung sei auch nicht durch die gesetzliche Regelung des § 21 Abs. 3 PolG gedeckt, da aufgrund des aus den Akten erkennbaren Zahlenmaterials nicht von einer überproportionalen Kriminalitätsbelastung an den überwachten Orten ausgegangen werden könne. Es handele sich nicht um gefährliche Orte im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG. Das in den Akten befindliche Zahlenmaterial sei auch in sich widersprüchlich. Bei einer Fußgängerfrequenz an einem durchschnittlichen Samstag in der Zeit von 11.00 bis 13.00 Uhr von über 9.000 Personen und an einem durchschnittlichen Dienstag im selben Zeitraum von 3.500 Personen liege die Gefahr von Straftaten mit 0,25 im Promillebereich. Die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme sei daher evident. Hinzu komme, dass die eigentlichen Angsträume außerhalb des überwachten Bereichs lägen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Videoüberwachung lediglich dazu dienen solle, ein für eine Einkaufsstraße unerwünschtes Klientel fern zu halten. Die Videoüberwachung stelle einen rechtswidrigen Eingriff in seine Grundrechte dar. Zunächst werde sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt. Bei der geringen Zahl der im bewachten Bereich begange...

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