Nachgehend

OVG Berlin (Beschluss vom 25.04.2001; Aktenzeichen 5 SN 14.01)

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage – VG 10 A 97.01 – gegen den Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg von Berlin – Wohnungsamt vom 10. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Abt. Finanzen, Wohnen und Liegenschaften, vom 6. Februar 2001 wird hinsichtlich der Zuführungsaufforderung wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 14.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller ist Eigentümer des Hausgrundstücks Lindenallee 28/Reichsstraße 1 in 14050 Berlin-Charlottenburg. Die im 5. Obergeschoss rechts gelegene, 170 m² große 6-Zimmer-Wohnung vermietete er durch „Mietvertrag für gewerbliche Räume” vom 13. August 1991 an einen Steuerberater.

Nach einer vorangegangenen, für sofort vollziehbar erklärten und später bestandskräftig gewordenen, indes nicht vollstreckten Zuführungsaufforderung nebst Zwangsgeldandrohung (vgl. dazu VG Berlin, Urteil vom 3. Dezember 1998 – VG 13 A 263.95 –) forderte das Bezirksamt Charlottenburg – Wohnungsamt – den Antragsteller mit Bescheid vom 10. August 2000 unter Anordnung sofortiger Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 20.000,– DM (erneut) auf, die Wohnung bis zum 30. September 2000 wieder Wohnzwecken zuzuführen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2001 zurück.

Der auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage – VG 10 A 97.01 – gerichtete Rechtsschutzantrag hat in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise gemäß § 80 Abs. 5 VwGO Erfolg.

Die Kammer hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, so dass dessen sofortige Vollziehung nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt.

Es bestehen nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die dem Zweckentfremdungsverbot (§ 1 Abs. 1 Satz 1 2. ZwVbVO in der Fassung vom 15. März 1994 – GVBl. S. 91 – in der Gestalt der 1. Änderungsverordnung vom 24. März 1998 – GVBl. S. 79 –) vorausgesetzte Wohnraummangellage in Berlin derzeit nicht mehr besteht, so dass es an der erforderlichen Grundlage für die auf § 1 Abs. 1 des ZwBesG vom 8. März 1990 (GVBl. S. 627 in der Fassung vom 26. Januar 1993, GVBl. S. 40) gestützte Zuführungsaufforderung fehlt. Eine Wohnraummangellage ist nach dem dem Zweckentfremdungsverbot zugrunde liegenden Artikel 6 § 1 des Mietrechtsverbesserungsgesetzes vom 4. November 1971 – BGBl. I S. 1745 – dadurch gekennzeichnet, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Hiervon kann gegenwärtig nicht mehr ausgegangen werden. Denn der Senator der für das Zweckentfremdungsrecht zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz hat im Rahmen der Jahrespressekonferenz Mitte Januar 2001 ausgeführt,

erstmals „haben wir in Berlin keine Wohnungsknappheit oder gar Wohnungsnot, sondern deutlich mehr Wohnungen als vom Markt nachgefragt werden. Der Wohnungsleerstand in der Stadt liegt zur Zeit bei über 100.000 Wohnungen, also bei über 5 % des Wohnungsbestandes (rund 1,85 Mill. Wohnungen). Das sind deutlich mehr als die rund 50.000 Wohnungen Fluktuationsreserve, die ein funktionierender Wohnungsmarkt für Umzüge und Modernisierungsmaßnahmen im Wohnungsbestand benötigt” (zitiert nach das Grundeigentum 2001, S. 164).

Die Zahl der leerstehenden Wohnungen hatte die Senatsverwaltung mit insgesamt 132.000 ermittelt (vgl. Grundeigentum a.a.O.). Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Dafür, dass es sich bei dem erheblichen Wohnungsleerstand um eine nur vorübergehende Entspannung des Wohnungsmarktes handelt oder handeln könnte, ist ebenfalls nichts erkennbar. Vielmehr spricht aus Sicht der Senatsverwaltung alles dafür, dass man sich im gesamten Jahrzehnt auf eine Leerstandsquote von um die 100.000 Wohnungen einstellen müsse und mit einem deutlichen Rückgang der Leerstandsquote nur dann zu rechnen sei, wenn es zu einer – derzeit nicht absehbaren – verstärkten Zuwanderung komme (a.a.O.). Auch der Regierungsumzug von Bonn nach Berlin, auf den bezogen das Oberverwaltungsgericht Berlin eine abgeschlossene Entwicklung des Wohnungsmarktes in Richtung Entspannung für den Zeitpunkt Januar 2000 in Obereinstimmung mit der Kammer noch verneint hat (vgl. Beschluss vom 15. März 2001 – OVG 5 N 171.00 –), dürfte zum jetzigen Zeitpunkt keinen nennenswerten Nachfrageschub auf dem Wohnungsmarkt mehr nach sich ziehen (können), der geeignet wäre, die behördliche Prognose zu erschüttern.

Mit vorstehender geschilderter Entwicklung korrespondiert, dass inzwischen (u.a. „angesichts der unverändert herrschenden Marktentspannung (und) des beach...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge