Leitsatz

§ 539 BGB a. F. kann nicht analog auf einen Mietzinsrückstand angewandt werden, der aus einer vom Vermieter über längere Zeit widerspruchslos hingenommenen Mietminderung herrührt. Ob der Vermieter mit solchen Nachforderungen ausgeschlossen ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Voraussetzungen der Verwirkung (amtlicher Leitsatz des BGH).

 

Normenkette

BGB § 535

 

Kommentar

Der Mieter hatte im Jahr 1992 gewerbliche Räume zu einer Monatsmiete von ca. 207 TDM angemietet. Ab dem Jahr 1998 hat der Mieter nur noch eine geminderte Miete bezahlt. Zu dieser Zeit war die Miete zeitweise an eine Bank abgetreten, teilweise stand das Objekt unter Zwangsverwaltung. Die Differenz zu der vereinbarten Miete wurde von den jeweils Berechtigten zunächst nicht geltend gemacht. Erst im Dezember 2000 – also ca. drei Jahre nach Beginn der Mietkürzung – hat der Vermieter den Mieter aufgefordert, die Mietdifferenz zu bezahlen. Die Instanzgerichte haben die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Anspruch des Vermieters gemäß § 539 BGB a. F. analog verwirkt sei.

Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Nach § 539 BGB a. F. ging das Recht des Mieters zur Minderung verloren, wenn er eine mangelhafte Mietsache vorbehaltlos akzeptiert hat. Die Vorschrift wurde entsprechend angewandt, wenn während der Mietzeit ein Mangel aufgetreten und die Miete gleichwohl in voller Höhe weiter bezahlt worden ist. Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur ist der Ansicht, dass eine Analogie zu § 539 BGB a. F. auch dann gerechtfertigt sei, wenn der Vermieter eine Minderzahlung über längere Zeit rügelos hingenommen hat (OLG Hamburg, WuM 1999, 281; Ventsch/Storm, NZM 2003, 577; a. A.: Blank/Börstinghaus § 536 BGB Rdn. 77; Kandelhard in: NZM 2005, 43).

Der BGH stellt demgegenüber klar, dass der Mietzahlungsanspruch nur dann verloren geht, wenn die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen. Die Hinnahme einer Minderzahlung über einen längeren Zeitraum reicht hierfür nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der Mieter sich auf die Akzeptanz der Minderzahlung durch den Vermieter eingerichtet hat und er nach den Umständen davon ausgehen durfte, dass die restliche Miete nicht mehr geltend gemacht wird. Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, wurde das Urteil aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 19.10.2005, XII ZR 224/03, NZM 2006, 58

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