Leitsatz

Verwirkung des Anspruchs auf Beseitigung einer vorgenommenen baulichen Veränderung (hier: Balkonverglasung im Sinne einer sog. "Einhausung")

 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 und 4 WEG; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. Ein Eigentümer hatte bereits 1991 eigenmächtig und ohne die zusätzlich vereinbarte Zustimmung des Verwalters seinen Balkon verglast. 1998 wurde ein Antrag auf Beseitigung von der Gemeinschaft mehrheitlich abgelehnt (im Sinne eines sog. Negativbeschlusses aus heutiger Sicht). Diesen Beschluss nahm der Antragsteller ebenfalls widerspruchslos hin und beantragte erst Mitte 2002, die Antragsgegnerseite zu verpflichten, die angebrachten Balkonverglasungen zu entfernen.

    Entgegen der Ansicht des AG wurde vom LG der Beseitigungsantrag abgewiesen. Das BayObLG bestätigte diese Entscheidung der Vorinstanz.

  2. Durch die Entscheidung des BGH v. 23.8.2001, V ZB 10/01, BGHZ 148, 335, wurde neuerlich festgestellt, dass auch der Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Eigentümer Beschlussqualität zukommt. Im Einzelfall kann allerdings die Auslegung ergeben, dass sich ein solcher Negativbeschluss in der konkreten Ablehnung eines bestimmten Antrags erschöpft und darüber hinaus keine Wirkung entfaltet (vgl. BayObLG v. 25.9.2003, 2Z BR 137/03, ZMR 2004, 133). Allerdings hat der Senat auch schon einem Eigentümerbeschluss, durch den ein Beschlussantrag auf Vornahme einer bestimmten Handlung abgelehnt wurde, denselben Inhalt beigemessen, wie einem Beschluss, durch den ein Beschlussantrag, diese Handlung nicht vorzunehmen, angenommen wird (BayObLG v. 25.7.2002, 2Z BR 63/02, BayObLGZ 2002, 247). Einem gerichtlichen Antrag auf Beseitigung einer baulichen Veränderung steht deshalb grundsätzlich ein Eigentümerbeschluss entgegen, durch den der Antrag auf Verpflichtung dieses Wohnungseigentümers zur Beseitigung abgelehnt wurde (BayObLG v. 9.10.2003, 2Z BR 131/03, FGPrax 2004, 60).
  3. Die Grundsätze von Treu und Glauben können es aber verbieten, dass dem Wohnungseigentümer, der die Beseitigung verlangt, die Bestandskraft eines solchen Eigentümerbeschlusses entgegengehalten wird, wenn dieser vor dem Bekanntwerden der Entscheidung des BGH vom 23.8.2001 gefasst wurde (BayObLG v. 9.10.2003, 2Z BR 131/03, FGPrax 2004, 60). Im vorliegenden Fall muss der Senat die mit Inhalt und Reichweite der Sperrwirkung negativer Eigentümerbeschlüsse verbundenen Fragen nicht abschließend klären, da von einer Verwirkung der Beseitigungsansprüche gegen die Antragsgegnerseite zu sprechen ist. Die Voraussetzungen einer solchen Verwirkung, insbesondere zum Zeit- und Umstandsmoment, beruhen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und binden auch einen Rechtsbeschwerdesenat, soweit sie rechtsfehlerfrei - wie hier - zustande gekommen sind (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO).

    Der Antragsteller stellte auch in zeitlich nahem Abstand zur Eigentümerversammlung von 1998 keinen Verpflichtungsantrag auf Beseitigung, zumal er sich primär für eine geänderte Kostenverteilung aussprach und gerade deshalb die bauliche Veränderung nicht hinnehmen und sie rückgängig machen wollte.

    Auch nachfolgende Beschlüsse der Gemeinschaft ändern an der eingetretenen Verwirkung nichts. Die Verwirkung begrenzt das betroffene Recht inhaltlich und stellt eine rechtsvernichtende oder zumindest rechtshemmende Einwendung dar (vgl. BGH v. 30.6.1976, I ZR 63/75, BGHZ 67, 56).

 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 15.12.2004, 2Z BR 183/04BayObLG v. 15.12.2004, 2Z BR 183/04

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