Leitsatz (amtlich)

Im Einzelfall kann das für die Verwirkung eines Beseitigungsanspruchs erforderliche Umstandsmoment darin zu sehen sein, dass ein Wohnungseigentümer trotz eines die Beseitigung der baulichen Veränderung ablehnenden Beschlusses der Wohnungseigentümer erst mehr als 3 1/2 Jahre später die Beseitigung gerichtlich durchzusetzen versucht. Inhalt und Reichweite des Negativbeschlusses (Sperrwirkung) können in diesem Fall dahinstehen.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 18.03.2004; Aktenzeichen 14 T 8501/03)

AG Schwabach (Beschluss vom 31.03.2003; Aktenzeichen 3 UR II 27/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth v. 18.3.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. II dieses Beschlusses wie folgt ergänzt wird:

Von den gerichtlichen Kosten des ersten Rechtszugs haben, je samtverbindlich, die Antragsteller einerseits, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten andererseits, jeweils die Hälfte zu tragen. Insoweit wird der Kostenbeschluss des AG Schwabach v. 31.3.2003 (Ziff. III, 1. Halbs.) abgeändert.

II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus sechs Wohnungen bestehenden Anlage. Die Antragsgegner versahen vor einigen Jahren die Balkone ihrer Wohnungen Nr. 3 und Nr. 4 mit einer Komplettverglasung (sog. Einhausung), ohne dass der Verwalter die nach der Gemeinschaftsordnung (§ 7 Abs. 1) erforderliche Zustimmung erteilt hatte oder Genehmigungsbeschlüsse der Eigentümerversammlung vorlagen.

In der Eigentümerversammlung v. 30.10.1998 wurde ein Antrag, die Balkonverglasungen der Wohnungen Nr. 3 und 4 umgehend zu entfernen, mehrheitlich abgelehnt. Der Beschluss blieb unangefochten.

Die Antragsteller haben am 12.7.2002, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch bedeutsam, beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die angebrachten Balkonverglasungen zu entfernen. Das AG hat dem Antrag in seinem Beschluss von 31.3.2003 entsprochen und die Gerichtskosten den Antragsgegnern und den weiteren Beteiligten auferlegt. Das LG hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner am 18.3.2004 den Beschluss des AG in der Sache aufgehoben und den Beseitigungsantrag abgewiesen. Die Kostenentscheidung des AG hat es nicht abgeändert. Gegen den Beschluss des LG richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II. Das Rechtsmittel hat in der Hauptsache keinen Erfolg. Lediglich der Kostenausspruch des AG ist hinsichtlich der gerichtlichen Kosten dem Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten anzupassen.

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Beseitigungsanträge seien verwirkt. Die Verglasungen seien zwar ohne die notwendige Zustimmung des Verwalters vorgenommen worden. Sie seien auch nicht nachträglich durch die Eigentümergemeinschaft genehmigt worden. Jedenfalls beinhalte der Beschluss der Eigentümerversammlung v. 30.10.1998 keine konkludente Genehmigung. Gleichwohl könnten die Antragsgegner aufgrund des langen Zeitablaufs und besonderer Gegebenheiten darauf vertrauen, dass es bei der Verglasung verbleiben dürfe. Die bauliche Maßnahme sei 1991 vorgenommen worden. Bis zum gerichtlichen Antrag seien ca. 11 Jahre vergangen. 1998 sei der Antrag auf Beseitigung abgelehnt worden, was die Antragsteller widerspruchslos hingenommen hätten. Dies habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich die Antragsgegner verlassen könnten. Jener nicht nichtige Beschluss aus dem Jahr 1998 sei auch geeignet gewesen, ein entsprechendes Vertrauen zu erzeugen. Verstärkt werde das Vertrauen noch insofern, als es den Antragstellern weniger um die Beseitigung der Verglasung als um die Veränderung des Abrechnungsschlüssels bei den Heizkosten gegangen sei. Dies folge aus der Beweisaufnahme zum Ablauf der Eigentümerversammlung im Jahr 1998.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das LG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Balkonverglasungen als bauliche Veränderungen (s. BayObLG WE 1998, 276; v. 23.7.1992 - 2Z BR 22/92, NJW-RR 1993, 337; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 22 Rz. 9 - Balkon) nach § 7 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters hätten angebracht werden dürfen. Das Erfordernis der Verwalterzustimmung bedeutet ggü. § 22 Abs. 1 WEG eine Erschwerung (vgl. Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 22 Rz. 33). Weil die Zustimmung des Verwalters fehlt und auch ein Mehrheitsbeschluss über die Genehmigung der baulichen Veränderung nicht herbeigeführt ist, hat grundsätzlich jeder einzelne Wohnungseigentümer, auch die Antragsteller, aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG einen individuellen Beseitigungsanspruch gegen jeden anderen Wohnungseigentümer, der durch die Errichtung eines n...

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