Leitsatz

  • Nur eingeschränkter Rückgriff auf zweckgebundene Rücklagemittel zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen

    Archivierung von gemeinschaftlichen Unterlagen in Gemeinschaftsräumen (zu unbestimmte Beschlussfassung)

 

Normenkette

§ 15 WEG, § 21 WEG, § 23 WEG, § 25 WEG, § 26 WEG, § 43 WEG

 

Kommentar

1. Eine Gemeinschaft hatte mehrheitlich den Organisationsbeschluss gefasst, dass "der Verwalter bei Liquiditätsengpässen auf dem Girokonto berechtigt sei, vorübergehend Beträge aus dem Rücklagekonto entnehmen zu dürfen, um sie nach Beendigung des Geldengpasses umgehend wieder in gleicher Höhe dem Rücklagekonto zuzuführen".

Ein solcher Mehrheitsbeschluss ist auf Anfechtung hin für ungültig zu erklären. Die Instandhaltungsrücklage ist zweckgebunden, ihr Guthaben darf nicht zum Ausgleich anderer Verbindlichkeiten verwendet werden (h.M.). Ein Beschluss dahingehend, eine vorhandene Rücklage wieder aufzulösen, liegt nur dann im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn dies nicht zur Unterschreitung der von § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gebotenen Sicherheit führt (vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss v. 20. 7. 1998, Az.: 5 W 110/98-35und OLG Saarbrücken, Beschluss v. 26. 1. 1999, Az.: 5 W 212/98-65). Es widerspricht deshalb Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, die Rücklage vollständig oder bis auf einen unbedeutenden Rest aufzulösen. Der Grundsatz der Zweckbindung einer Rücklage erfordert den Verbleib einer "eisernen Reserve"(vgl. Staudinger/Bub, § 21 Rn. 209). Diese erforderliche Mindestreserve, die nicht unterschritten werden darf, kann nicht abstrakt festgelegt werden; ihre Höhe hängt vielmehr von dem Zustand, dem Alter und der Reparaturanfälligkeit einer Anlage ab. Der hier gefasste Beschluss hat die erforderliche Mindestreserve einer Rücklage nicht berücksichtigt und war auch nicht genügend bestimmt hinsichtlich der konkreten Dauer und des genauen Anlasses anderweitiger Verwendung.

2. Auch ein weiterer Organisationsbeschluss wurde für ungültig erklärt, in dem "die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen gemeinschaftlicher Unterlagen festgelegt wurden und mitbeschlossen wurde, dass die Gemeinschaft eine Lagermöglichkeit für alle Akten, die älter als 3 Jahre seien, zur Verfügung stelle". Eine solche Regelung kann allenfalls durch Vereinbarung getroffen werden, nicht jedoch durch einfachen Mehrheitsbeschluss. Der Beschluss lässt nicht erkennen, um welche Räume es sich handelt. Dem Beschluss ist auch nicht zu entnehmen, ob für die Aktenaufbewahrung geeignete Räume zur Verfügung stehen oder ob durch die Einlagerung der Akten ein bereits durch Vereinbarung festgelegter Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums beeinträchtigt wird. Der Beschluss verstößt deshalb gegen § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WEG.

 

Link zur Entscheidung

( LG Saarbrücken, Beschluss vom 27.04.1999, 5 T 691/98= NZM 18/1999, 870 = WE 9/1999, 7)

Zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

1. Was die strenge Zweckbindung eines Rücklagevermögens betrifft, ist es allenfalls nach gängiger Praxis (wohl auch unbestritten) Verwaltern gestattet, die mit laufenden Wohngeldvorauszahlungen im Geschäftsjahr mitgeleisteten Anteilsbeträge für die aktuelle Jahreszuführung in das Rückstellungsvermögen zunächst auf dem Girokonto zu belassen; spätestens zum (bzw. vor) Ende des Geschäftsjahres ist dann jedoch der gesamte Jahresbetrag beschlussgemäß dem Rückstellungsvermögen als Zugang zuzuführen. Wächst nun ein Rückstellungsvermögen ohne in absehbarer Zeit erkennbare Instandhaltungs- oder Instandsetzungsnotwendigkeiten sehr hoch (bzw. nach Meinung einer Eigentümermehrheit zu hoch) an, kann im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zumindest eine Teilauseinandersetzung (und damit Rückführung an die einzelnen, m.E. "aktuellen" Eigentümer) beschlossen werden. Auch bei solchen Teilauflösungs- bzw. Auseinandersetzungsbeschlüssen muss jedoch stets eine angemessene Reserve für "Not-Instandsetzungsfälle" erhalten bleiben, soll ein solcher Beschluss noch Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.

2. Was die Aufbewahrungspflichten von gemeinschaftlichen Verwaltungsunterlagen früherer Jahre betrifft, gelten hier nicht unmittelbar gesetzliche Aufbewahrungspflichten nach HGB oder AO. Vernichtungsentscheidungen (hinsichtlich nicht mehr benötigter Unterlagen) haben hier allein die Eigentümer ebenfalls unter Wahrung der Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung zu treffen. Untergerichte haben hier im Rahmen einer verwaltervertraglichen Gültigkeitskontrolle oder im Rahmen von Beschlussüberprüfungen in Anfechtungsverfahren Regelungen dann für gültig erachtet, wenn zumindest Unterlagen der letzten 5-6 Jahre aufbewahrt bleiben. Ein Verwalter kann hier entsprechende Beschlussfassungen anregen.

Zweckbestimmte Räumlichkeiten zur Lagerung dürften sich auch nur selten im Gemeinschaftseigentum einer Wohnanlage befinden. Entsprechende Verwahrpflichten obliegen hier grundsätzlich dem jeweils bestellten Verwalter.

3. Wenn das LG zu dieser Frage ergänzend bemerkt, dass zu unterscheiden ist, ob der Abschluss eines Verwalterve...

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