Leitsatz

Die Wohnungseigentümer sind befugt, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf eine Forderung (hier: gegen Verwalter) teilweise zu verzichten.

Normenkette

§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG

Das Problem

Die Wohnungseigentümer streiten darüber, ob wegen Versäumnissen des Verwalters Forderungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen säumige Hausgeldschuldner verjährt sind. Die Wohnungseigentümer beschließen nach einer Diskussion und in Kenntnis einer Liste offener Hausgeldforderungen daraufhin wie folgt: "Die Hausverwaltung verpflichtet sich nach Ablauf der Anfechtungsfrist zur Zahlung einer Summe von 3.000 EUR. Sämtliche vermeintlich verjährte Hausgeldforderungen sind damit abgegolten". Wohnungseigentümer K geht gegen diesen Beschluss vor. Das AG erklärt ihn für ungültig. Es hält ihn für zu unbestimmt. Dagegen richtet sich die Berufung.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Auch das LG sieht den Beschluss als zu unbestimmt an. Es sei nämlich nicht erkennbar, welche Forderungen Gegenstand des Vergleichs seien. Im Übrigen sei der Beschluss nicht ordnungsmäßig vorbereitet worden. Zwar seien die Wohnungseigentümer berechtigt, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter auf eine Forderung zu verzichten. Dieses Recht sei allerdings dahingehend einzuschränken, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht ohne Not auf eine bestehende und durchsetzbare Forderung verzichten dürfe. Jedenfalls müssten die Wohnungseigentümer die Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage treffen. Sie müssten also wissen, welche Forderungen von dem Vergleich umfasst seien und welche Prozessrisiken bei der gerichtlichen Durchsetzung ohne einen Vergleich bestünden. Hieran habe es gefehlt.

 

Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es erstens um die Frage, wann ein Beschluss "bestimmt" genug gefasst ist. Zweitens geht es um die Frage, ob die Wohnungseigentümer namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt sind, auf eine Forderung teilweise zu verzichten. Drittens geht es um die Vorbereitung eines Beschlusses im Tatsächlichen. Und viertens ist zu fragen, wie man einen Forderungsverzicht umsetzt.

Bestimmtheit

Beschlüsse müssen bestimmt genug formuliert sein. So liegt es, wenn ein Beschluss aus sich heraus genau, klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gilt. Einem Beschluss fehlt hingegen die Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält. Damit ein Beschluss "bestimmt" ist, muss er so ausführlich wie nötig beschreiben, was gelten soll. Er muss – gegebenenfalls durch Verweisung – sein Regelungsproblem (den Anlass seiner Entstehung) vollständig lösen. Außerdem muss er so formuliert werden, dass er in sich nicht widersprüchlich ist. Lässt sich ein Gegenstand im Beschlusstext selbst nur schlecht oder gar nicht oder nur ungenau oder nur widersprüchlich darstellen, bedarf es für eine Herstellung von Bestimmtheit in der Regel einer Beschluss-Anlage. Ein Beschlusstext kann auch aus diesem Grund selbst kurz sein und zur näheren Erläuterung auf eine Anlage Bezug nehmen. Im Fall ist der angefochtene Beschluss tatsächlich zu unbestimmt. Denn er selbst lässt nicht erkennen, welche Hausgeldforderungen nach Ansicht der Wohnungseigentümer verjährt waren. Damit war nicht erkennbar, für welche Pflichtverletzungen der Verwalter im Einzelnen einstehen wollte.

Forderungsverzicht

Die Wohnungseigentümer haben ein Ermessen, ob sie eine zweifelhafte Forderung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgen lassen wollen oder nicht. Je zweifelhafter eine Forderung ist, desto näher liegt es, mit dem Schuldner einen Vergleich zu suchen und auf eine mögliche/vermeintliche Forderung teilweise zu verzichten. Ferner muss ein Anlass bestehen, auf die möglichen Ansprüche zu verzichten (BGH, Beschluss v. 17.7.2003, V ZB 11/03). Was gilt, ist eine Frage des Einzelfalls. Bei Hausgeldforderungen dürfte kein Zweifel bestehen. Denn der Hausgeldschuldner müsste eigentlich feststehen und ebenso der Beginn und der drohende Ablauf der Verjährung. Ich selbst kann daher nicht sehen, dass es ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen könnte, mit einer Verwaltung insoweit einen Vergleich zu schließen.

Beschlussvorbereitung

Damit der spätere Beschluss nicht unter einem Ermessensfehler leidet, muss die Verwaltung die Wohnungseigentümer umfassend über den Beschlussgegenstand und die Beschlussumstände informieren. Im Fall war es daher die Aufgabe des Verwalters, die einzelnen Hausgeldforderungen zu benennen und herauszuarbeiten, welche davon aus welchen Gründen verjährt waren.

Umsetzung eines Forderungsverzichts

Will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter auf eine Forderung verzichten, muss das erstens beschlossen und zweitens nach § 9b Abs. 2 WEG umgesetzt werden. Der bloße Beschluss, auch einer zur Entlastung des Verwalters, reicht hierfür nicht.

Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 14.6.2021, 2-13 S 13/21

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