Leitsatz

Das Pflichtenprogramm und auch die Haftung eines faktischen Verwalters entsprechen dem eines ordnungsmäßig bestellten Verwalters.

Normenkette

§ 26 Abs. 1 WEG

Das Problem

Wohnungseigentümer K geht gegen den Beschluss vor, mit dem die Wohnungseigentümer im März 2019 den V zum Verwalter bestellt haben. Er rügt, V, dessen Bestellung Ende 2017 endete, habe sein Amt in der Vergangenheit nicht ordnungsmäßig ausgeübt.

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Gegen die Bestellung des V spreche ein wichtiger Grund. Ein solcher sei ebenso wie bei der Abberufung nach § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG a. F. zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit mit dem gewählten Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von vornherein nicht zu erwarten sei. Gegen die Bestellung des V spreche, dass dieser sein Amt in der Vergangenheit nicht ordnungsmäßig ausgeübt habe. Denn V habe seit dem Jahr 2014 nicht dafür gesorgt, dass das Gebäude ausreichend versichert ist. Hinzu komme, dass die Wohnungseigentümer im Oktober 2018 beschlossen hatten, eine Gebäudeversicherung abzuschließen, V diesen Beschluss aber bis März 2019 nicht ausgeführt habe. Zwar sei V seit dem Auslaufen der Bestellung Ende 2017 nicht mehr der ordentlich bestellte Verwalter gewesen. Er habe das Amt aber unstreitig weiter ausgeübt und sei damit als faktischer Verwalter einzuordnen. Auch wenn die Einzelheiten dieses Rechtsverhältnisses streitig seien, bestehe im Ergebnis Einigkeit, dass das Pflichtenprogramm (und auch die Haftung) dem eines bestellten Verwalters entsprechen. Daher könnten für die Beurteilung, ob der Bestellungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, auch Pflichtverletzungen des V herangezogen werden, die im Jahr 2018 und später aufgetreten seien.

 

Hinweis

Problemüberblick

Für die Lösung des Falls muss man zunächst klären, ob auf V die Bestimmungen des WEG anzuwenden sind, obwohl seine Bestellung bereits Ende 2017 endete. Daneben ist fraglich, in welchem Fall ein Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf hat, dass der Verwalter abberufen wird.

Faktischer Verwalter

Personen können in manchen Belangen als Amtsträger angesprochen werden, obwohl sie es nicht sind ("faktische" Verwalter; "Scheinverwalter"). Dieses kommt vor allem in Betracht, wenn – wie im Fall – eine Person als Amtsträger auftritt und die Pflichten und Rechte eines Amtsinhabers für sich beansprucht, obwohl ihre Amtszeit als Amtsträger abgelaufen ist, wenn der Amtsträger abberufen wurde oder sein Amt niedergelegt hat oder wenn die Bestellung einer Person zum Amtsträger unwirksam ist oder für ungültig erklärt wurde. Als faktischer Verwalter ist aber auch die Person anzusprechen, die, ohne jemals zum Verwalter bestellt worden zu sein, die Geschäfte der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der Wohnungseigentümer "wie ein Verwalter" führt. Für die Annahme, dass eine Person in diesem Fall faktischer Verwalter ist, ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass der Betreffende in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen hat, wie sie nach §§ 24 Abs. 1, 27 Abs. 1 WEG für den Verwalter kennzeichnend sind, z. B. die Versammlung der Wohnungseigentümer einberuft. Ist eine Person als faktischer Verwalter anzusehen, haftet sie grundsätzlich wie ein Amtsträger. Neben einem Amtsverhältnis wird zwischen dem faktischen Amtsträger und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer häufig wenigstens ein Auftrag anzunehmen sein, sodass in der Regel sogar die §§ 662ff. BGB anwendbar sind.

Anspruch auf Abberufung

Ein Wohnungseigentümer kann nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG im Einzelfall verlangen, dass der Amtsträger abberufen wird. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass allein ein Abberufungsbeschluss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen und damit ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dieser Anspruch ist noch nicht gegeben, wenn gegen die Person des Amtsträgers ein wichtiger Grund im Sinne der alten Rechtslage vorliegt. Halten die Wohnungseigentümer nämlich am Amtsträger ungeachtet erheblicher Mängel seiner Arbeit oder seiner Person und damit trotz eines wichtigen Grunds fest, sind sie nicht verpflichtet, diesen abzuberufen. Die Aufrechterhaltung der Bestellung eines Verwalters widerspricht vielmehr erst dann den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn es objektiv nicht mehr als vertretbar erscheint, einen Amtsträger ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände nicht abzuberufen. Die Kammer nimmt einen solchen Grund bereits dann an, wenn der Verwalter nicht alles dafür tut, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sich angemessen versichert und wenn er zusätzlich einen Beschluss der Wohnungseigentümer, einen Versicherungsvertrag abzuschließen, nicht zeitnah durchführt. Diese Sichtweise sollte jeder Verwaltung eine Warnung sein, für einen ausreichenden, unverzüglichen Versicherungsschutz zu sorgen.

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