1 Leitsatz

Die Feststellung, ein Ladungsmangel habe sich nicht ausgewirkt, lässt sich nicht allein darauf stützen, dass die Beschlüsse von einer bestimmten Mehrheit getragen worden sind und dieselbe Mehrheit die Beschlüsse in einer anderen Versammlung erneut fassen würde.

2 Normenkette

§ 24 Abs. 4 Satz 2 WEG

3 Das Problem

Der Verwalter lädt mit Schreiben vom 11.6.2022 zur Versammlung am 26.6.2022. Auf der Versammlung fassen die Wohnungseigentümer mehrere Beschlüsse. Diese greift Wohnungseigentümerin K an. Sie ist der Ansicht, der Verwalter habe nicht rechtzeitig zur Versammlung eingeladen.

4 Die Entscheidung

Die Klage hat Erfolg! Der Verwalter habe gegen § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG verstoßen. Zwar könne die Ladungsfrist unterschritten werden, wenn besondere Dringlichkeit vorliege. Die angegriffenen Beschlüsse seien bei objektiver Betrachtung aber nicht dringlich gewesen.

Es sei zu vermuten, dass die Beschlüsse auf dem Ladungsmangel beruhen. Etwas Anderes gelte nur dann, wenn bewiesen werde, dass ein Beschluss ohne den Einberufungsmangel ebenso gefasst worden wäre. Diese Feststellung lasse sich nicht darauf stützen, dass die Beschlüsse von einer bestimmten Mehrheit getragen worden seien und die Behauptung, dieselbe Mehrheit würde die Beschlüsse in einer Wiederholungsversammlung erneut fassen. Es reiche auch nicht aus, dass die Wohnungseigentümer, die die Beschlussmehrheit trugen, sich dahin erklären, sie hätten auch bei einer ordnungsmäßigen Einberufung und in Kenntnis der mit der Anfechtungsklage gegen die Entscheidung vorgebrachten Argumente damals nicht anders abgestimmt.

5 Hinweis

Problemüberblick

Nach § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG soll die Frist der Einberufung der Versammlung der Wohnungseigentümer, sofern nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, mindestens 3 Wochen betragen. Im Fall liegen zwischen dem Zugang der Ladungen und Versammlung im besten Fall 10 Tage. Die Ladung entspricht damit keiner ordnungsmäßigen Verwaltung und die gefassten Beschlüsse leiden unter einem formalen Beschlussmangel (hier: Verstoß gegen § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG), wenn die Ladung nicht i. S. v. § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG besonders dringlich war.

Besondere Dringlichkeit

Eine "besondere" Dringlichkeit liegt vor, wenn einerseits die gesetzliche Mindestfrist nicht eingehalten werden kann und andererseits die Verwaltung ohne Beteiligung der Wohnungseigentümer nicht nach § 27 Abs. 1 WEG handlungsfähig wäre – ihm also nicht bereits das Gesetz oder eine Vereinbarung oder ein Beschluss eine Handlungs- und Vertretungsmacht einräumt. Ob eine besondere Dringlichkeit anzunehmen ist, ist objektiv und nicht nach Einschätzung der Verwaltung zu beurteilen. Auf einer als dringlich einberufenen Versammlung darf nur über die dringenden Tagesordnungspunkte abgestimmt werden. Ratsam und im Einzelfall sogar zwingend ist, dass der Ladende den Grund, der die Verkürzung der gesetzlichen Einberufungsfrist rechtfertigt, benennt.

Formaler Ladungsmangel

Liegt ein formaler Ladungsmangel vor, ist für die gerichtliche Prüfung nach h. M. zu fragen, ob er sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat. Es gilt insoweit der Erfahrungssatz, dass ein Beschluss auf einem formalen Mangel beruht. Von der Ursächlichkeit eines formalen Beschlussmangels ist so lange auszugehen, bis der Beweis des Gegenteils zweifelsfrei erbracht ist. Dazu muss i. S. v. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO erwiesen sein, dass auch bei ordnungsmäßiger Einladung und Durchführung der Versammlung der angegriffene Beschluss ebenso zustande gekommen wäre. Der Vortrag, der Anfechtungskläger wäre bei Teilnahme an der Versammlung ohnehin überstimmt worden, ist daher nicht ausreichend. Denn es kann regelmäßig nicht ausgeschlossen werden, dass der Anfechtungskläger andere Wohnungseigentümer auf der Versammlung von seiner Sichtweise hätte überzeugen können. Und auch die Überlegung, der Kläger trage keine materiellen Mängel vor, überzeugt nicht und unterschätzt die Rhetorik.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Die Verwaltungen müssen unbedingt § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG beachten. Ist ein Fall aus ihrer Sicht "besonders dringlich", so ist dies bereits mit der Ladung mitzuteilen und aus Gründen der Transparenz zu begründen.

6 Entscheidung

AG Dortmund, Urteil v. 8.12.2022, 514 C 61/22

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