Leitsatz

  1. Reicht der Versicherungsnehmer der Polizeibehörde nicht unverzüglich ein Verzeichnis von etwa abhanden gekommenen Sachen ein, gibt § 13 Nr. 1 a VHB 74 nur ein zeitlich befristetes Leistungsverweigerungsrecht, das entfällt, wenn die Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei nachgeholt wird.
  2. Nach einer endgültigen Leistungsablehnung des Versicherers besteht für den Versicherungsnehmer keine Obliegenheitsgebundenheit mehr.
 

Normenkette

§ 13 Nr. 1 a VHB 74

 

Sachverhalt

Der Kl. beanspruchte aus einer bei der Bekl. abgeschlossenen Hausratversicherung Entschädigung für einen erlittenen Einbruchdiebstahlschaden. Die Bekl. hat die Regulierung des Schadens abgelehnt und dem Kl. vorgeworfen, er habe den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt, weil er ein Fenster der im Hochparterre gelegenen Wohnung während seiner Abwesenheit auf "Kipp" habe stehen lassen und sich im übrigen auf Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung des Kl., der keine Stehlgutliste bei der Polizei abgeliefert hatte, berufen.

Das LG gab der Klage statt. Die Berufung der Bekl. verlief erfolglos.

 

Entscheidung

Soweit die Bekl. die Schadenregulierung u. a. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles abgelehnt hat, habe sie - so das OLG - in der Berufungsinstanz diesen Einwand nicht weiter verfolgt. Insoweit könne es auch dahinstehen, ob ein Fenster in der Wohnung des Kl. vor dem Einbruch in Kippstellung war, was der Kl. bestreitet; denn dem Kl. als Versicherungsnehmer könne selbst dann, wenn es so gewesen sein sollte, kein grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil nicht er, sondern seine Ehefrau, die nicht seine Repräsentantin war, vor dem Einbruchdiebstahl am 28.2.1996 als letzte die Wohnung verlassen habe.

Entgegen ihrer Auffassung sei die Bekl. auch nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Kl. nach § 6 Abs. 3 VVG i. V. m. § 13 Nr. 1 a VHB 74 leistungsfrei, weil der Kl. der Polizei nicht unverzüglich nach dem Einbruchdiebstahl, sondern erst mit Schreiben v. 28.04.1998 eine "Stehlgutliste" eingereicht hat.

Gemäß § 13 Nr. 1 a VHB 74 sei ein Versicherungsnehmer zwar verpflichtet, unverzüglich über etwa abhanden gekommene Sachen der Polizeibehörde eine Aufstellung einzureichen. Es entspreche aber der gefestigten Rechtsprechung zu dieser Klausel, dass ein Versäumnis insoweit durch Nachholung heilbar ist und eine Verletzung dieser Obliegenheit folgenlos bleibt, wenn ihre Erfüllung nachgeholt wird. Das fehlende Verzeichnis habe - ebenso wie eine verspätete Anzeige des Einbruchs bei der Polizei - nur ein Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers bis zur Nachholung zur Folge (so u. a.: BGH r+s 85, 178 = VersR 85, 557 und VersR 84, 429). Da der Kl. zwischenzeitlich der Polizei eine Stehlgutliste eingereicht habe, wenn auch erst 2 Jahre nach dem Versicherungsfall, sei das Versäumnis nachgeholt, so dass sich die Bekl. auf ein Leistungsverweigerungsrecht nicht mehr berufen könne.

Es könne hier dahinstehen, ob in jedem Fall das Versäumnis der unverzüglichen Einreichung einer Stehlgutliste auch noch nach mehreren Jahren nachholbar ist; denn dem Kl. könne die Verzögerung des Einreichens der Stehlgutliste hier schon deshalb nicht vorgeworfen werden, weil die Bekl. bereits mit Schreiben vom 15.7.1996 die Regulierung abgelehnt hatte. Nach der endgültigen Leistungsablehnung habe für den Kl. aber keine Obliegenheitsgebundenheit mehr bestanden. Dies gelte insbesondere hier deshalb, weil die Bekl. ihre Leistungsablehnung u. a. auch auf einen Verstoß des Kl. gegen die Bestimmung des § 13 Nr. 1 a VHB 74 gestützt und sich insoweit nicht etwa auf ein zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht berufen hatte. Für den Kl. sei deshalb nicht erkennbar gewesen, dass er durch Nachholung seines Versäumnisses mit Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei das Regulierungsverhalten der Bekl. noch hätte beeinflussen können.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil vom 05.06.1998, 20 U 29/98

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